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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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dafür, daß sie Weißen genau das erzählten, was diese hören wollten.
    An der Wand stand eine Holzbank. Harry setzte sich, um mit dem Kind zu sprechen. Auf keinen Fall durfte er den falschen Jungen mitbringen.
    »Woher kommst du?« fragte er.
    »Von da draußen.«
    »Wo ist da draußen?«
    Das Kind schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Wie heißt deine Mumma?«
    Auch das schien ein Problem zu sein. »Maggie?« fragte der Junge eifrig.
    »Das ist die Frau, die hier nach ihm sieht«, warf der Leiter ein.
    »Springfield. Kennst du diesen Ort?« Harry mußte aufpassen, daß er dem Kleinen keine Stichworte lieferte.
    »Ja, guter Ort.«
    »Was für ein Ort?«
    Auch diese Frage brachte ihn nicht weiter, denn der Junge wußte darauf nichts zu erwidern.
    »Erinnerst du dich an Mrs. Smith?«
    »Hübsche Lady? Kommt mich holen?«
    Noch immer war sich Harry nicht sicher. War dies wirklich Niokas Sohn? Wenn er nun vorgab, er heiße Jagga, nur um ihm zu gefallen? Er hätte doch mit dem Ehepaar Smith sprechen sollen, um zu erfahren, was sie über die Herkunft des Kindes wußten, denn so gab es keinerlei Beweis, daß dies der gesuchte Junge war.
    Er beschloß, ihn auf die Probe zu stellen.
    »Heißt du Billy?«
    Der Kleine kniff die Augen zusammen. »Nicht Billy, Mister.«
    »Vielleicht Bobbo?«
    Die Augen des Jungen leuchteten aufgeregt. »Sie haben Bobbo, Mister? Bringen Bobbo her? Sagen ihm, Jagga gut auf ihn aufpassen.«
    »Wer ist Bobbo?«
    »Mein Freund. Doombie auch kommen?«
    Harry stieß einen Seufzer aus und schloß das Kind in die Arme. »Du erinnerst dich an Springfield, nicht wahr? An deine Mumma Nioka? Sie hat mich zu dir geschickt. Sie wartet auf dich. Ich bringe dich nach Hause.«
    »Nioka. Bringst du Mumma auch her?«
    »Nein, ich bringe dich zu ihr.« Harry war so erleichtert, daß er sich plötzlich emotional ganz ausgelaugt fühlte. Er sah den Leiter an, als erwarte er eine ähnliche Reaktion bei ihm zu sehen, doch dessen Gesicht wirkte eher abweisend.
    »Ich dachte, Sie wären nur ein Besucher. Setzen Sie ihm bloß keine Flausen in den Kopf! Er kann hier nicht weg. Der Staat ist sein Vormund. Wenn sie erst einmal hier sind, bleiben sie auch hier.«
    »Sie verstehen mich nicht. Das alles war ein Fehler, er sollte gar nicht hierherkommen. Das Kind ist auf der Springfield-Farm zu Hause.«
    »Nie gehört.«
    »Sie liegt weit weg von hier in den Western Downs. Das Kind gehört dorthin, und ich muß es seiner Mutter zurückbringen.«
    »Sie werden nichts dergleichen tun. Nicht ohne richterliche Erlaubnis. So lautet das Gesetz.«
    Harry argumentierte, bat, spielte mit dem Gedanken an einen Bestechungsversuch, doch dann kam ihm eine bessere Idee. »Ihnen scheint nicht bewußt zu sein, wer ich bin. Mein Name ist Harry Broderick, und ich bin Parlamentsabgeordneter für die Regierungspartei. Ich bezweifle, daß der Premierminister sich freuen wird zu hören, daß man das Wort eines Landrichters über das eines Abgeordneten stellt. Unterzeichnen Sie sofort den Entlassungsschein für dieses Kind!«
    Die Notlüge tat ihre Wirkung. Der Papierkram nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Das Kind hatte keinen persönlichen Besitz, so daß Harry einfach mit ihm zum Tor hinausmarschieren und sein Pferd besteigen konnte. Keiner von ihnen blickte zurück.
    Als der Braune die lange, sandige Straße entlangtrabte, fragte Jagga verwirrt: »Wo gehen jetzt?«
    »Bist du jemals mit der Eisenbahn gefahren?«
    »Nein.« Die dunklen Augen leuchteten ehrfürchtig auf. »Echter Zug?«
    »Ja. Damit fahren wir zu deiner Mumma.«
     
    Nach der aufregenden Zugfahrt folgte der mühseligere Teil der Reise. Harry holte sein Pferd ab und ritt mit Jagga los. Er band den Jungen mit seinem Gürtel am Sattel fest für den Fall, daß dieser einschlafen sollte. Er ritt vorsichtig und dehnte die Reise auf mehrere Tage aus, wobei er in Häusern von Freunden übernachtete.
    Das Kind war ein Plappermaul, doch was es sagte, wirkte zusammenhanglos, konfus und verwegen zugleich. Traurig begriff Harry, daß dies auf den Überlebenstrieb in einer verstörenden Welt zurückzuführen war. Er beschäftige den Jungen mit dem Zählen von Kookaburras, Elstern oder Pferden. Nach den Ruhepausen deutete er auf Pflanzen, Bäume oder Blumen, nannte die englischen Namen und forderte Jagga auf, ihm den entsprechenden Aborigine-Ausdruck zu sagen. Damit konnte er den zappeligen Jungen wenigstens für ein Weilchen ruhig halten.
    Als sie schließlich auf der Straße von Cobbside nach

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