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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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einer Farm hat wie du.«
    »Mag sein.« Victor warf einen nachsichtigen Blick auf Rupes leeren Stuhl. »Sag Hannah, sie soll mir die restlichen Koteletts auch noch geben. Rupe ist ja anscheinend auf Wanderschaft gegangen.«
    In der Morgendämmerung saß Victor mit einem Becher Tee bei Hannah in der Küche, während sie ihm Würstchen und Eier briet. Ein Vertreter der Scherer trat in die Tür. »Wir haben einen Ausfall, Boß. Einer unserer Scherer, Les Bragg.«
    »Was ist passiert?«
    »War gestern abend beim Tanzen besoffen. Ist hingefallen und hat sich das Handgelenk gebrochen.«
    »Gut, schick ihn zu mir, ich werde ihn auszahlen. Sind alle anderen auf dem Damm?«
    Der Scherer lachte. »Das vielleicht nicht gerade, aber sie werden arbeiten.«
    »Gut.«
    Victor genoß das Frühstück. Es war seine liebste Mahlzeit des Tages, weil er dabei nicht reden mußte. Hannah hatte Verständnis und ließ ihn in Ruhe sein Tagewerk durchdenken. Mit militärischer Präzision berechnete er, wie viele Schafe seine Viehhüter maximal hereintreiben konnten, ohne die Pferche zu überfüllen oder die Scherer warten zu lassen.
    Der Morgenhimmel war rosig überhaucht, ein gutes Zeichen, daß es die geschorenen Tiere warm genug haben würden. Victor trank eine zweite Tasse Tee, bedankte sich bei Hannah und ging in sein Büro, um Les Braggs Lohn abzuzählen. Er wollte ihm den Umschlag zu den Schuppen bringen, anstatt zu warten, bis er von selbst zum Haus kam. Da bemerkte er, daß Rupe noch immer nicht aufgetaucht war.
    »Und wenn du einen Riesenkater hast, du arbeitest wie alle anderen, mein Freund«, murmelte er zwischen den Zähnen. Doch als er die Tür zu Rupes Zimmer öffnete, entdeckte er, daß das Bett unberührt war. Vermutlich hatte er bei Jock geschlafen.
    Verärgert kehrte Victor in sein Büro zurück. Auf jeden Fall fiel Rupe für diesen Tag aus. Sollte er deswegen mit Charlotte reden? Es war schlimmer, die Launen seines Bruders zu erdulden, als ihn seiner Wege ziehen zu lassen.
    Er holte das Lohnbuch heraus, berechnete die Anzahl von Braggs Arbeitstagen und öffnete den Safe, um die Kassette herauszunehmen, die das für diesen Zweck bestimmte Geld enthielt. Alle Scherer mußten in bar entlohnt werden.
    Fassungslos starrte er ins Innere des Safes, der gewöhnlich zwei Hauptbücher, Papiere und eine stählerne Geldkassette enthielt. Letztere fehlte.
    Ungläubig durchstöberte er den Safe, obwohl ihm klar war, daß die Kassette kaum unter den wenigen Papieren verborgen sein konnte.
    Schließlich gab er auf und ließ sich in einen Sessel fallen. »Man hat uns ausgeraubt!« Verwirrt sah er sich im Zimmer um. In dieser Kassette waren mehrere hundert Pfund gewesen, der Lohn für die Scherer und eine Reserve von ungefähr fünfzig Pfund.
    Er seufzte erleichtert, als er die Kassette auf seinem Schreibtisch entdeckte.
    Verlegen stand er auf. »Ich muß sie selbst hier draußen vergessen haben. Wie dumm von mir.« Er schwor sich auf der Stelle, nie wieder so nachlässig zu sein.
    Doch schon folgte der nächste Schock. Die Kassette war leer. Wieder mußte er sich setzen. Wer war zu so etwas fähig? Seine Leute bestimmt nicht. Vielleicht einer der Scherer? Einige von ihnen waren der Familie nur flüchtig bekannt, andere sogar gänzlich fremd hier. Würde einer von ihnen so dreist sein, ins Haus zu marschieren und Geld zu stehlen? Victors Büro führte auf einen kleinen Hof hinaus, von dem aus man an der Küche vorbei auf den Hinterhof gelangte. Konnte sich ein Fremder nachts an den Hunden vorbeischleichen, ohne daß diese anschlugen? Wohl kaum. Victor starrte auf die Fenster. Wohlgemerkt, in diesem Raum gab es nicht einmal Verandatüren.
    Und welcher Dieb würde sich die Mühe machen, das Fenster hinter sich zu schließen? Ansonsten gelangte man nur durchs Haus in sein Büro.
    Mit langsamem Schritt und wachsender Wut verließ er sein Büro und ging die Treppe hinauf. Bevor er Alarm schlug und jemanden beschuldigte, mußte er alles noch einmal überprüfen. Niemand sollte von seinem Verdacht erfahren, solange dieser – hoffentlich – unbegründet war. Rupe war noch immer nicht in seinem Zimmer. Victor sah in der Kommode und dem Kleiderschrank nach. Er kannte die Garderobe seines Bruders genau; alle guten Stücke daraus waren verschwunden. Nur Arbeitsstiefel, Arbeitshemden, ausgebeulte Hosen und Buschhüte waren übriggeblieben. Auf dem Toilettentisch fehlte das silberne Frisierset. Victor trat an den Waschtisch. Kein Rasierzeug, nicht

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