Sterne im Sand
einmal Zahnbürste oder Zahncreme.
Sein Bruder hatte sich tatsächlich davongemacht, und eine große Menge Bargeld war gestohlen worden. Ein zufälliges Zusammentreffen von Umständen? Wohl kaum.
»Das glaube ich nicht!« keuchte Charlotte. »Wie kannst du so etwas nur denken? Es wird einer der Scherer gewesen sein. Geh runter und verlange, daß er das Geld zurückgibt, sonst rufen wir die Polizei. Wenn du es nicht machst, tue ich es.«
Sie schwang die Beine aus dem Bett, wobei ihr Nachthemd bis zu den Knien hochrutschte. »Gib mir die Hand. Nicht du, Victor, ich meine Louisa. Dieses verdammte Nachthemd bleibt immer am Gips hängen, das fühlt sich an wie eine Zwangsjacke. Ich werde keines mehr tragen, bis der Gips ab ist.«
Louisa grinste. »Ich werde alle Besucher vorwarnen.«
Victor zog sich taktvoll zurück, hatte aber keineswegs vor, einen der Scherer zu beschuldigen. Sicher, er wollte auch nicht an Rupes Schuld glauben, aber alles deutete auf ihn. Immerhin konnte er ein paar Fragen stellen, ohne Verdacht zu erregen. Also lief er über die Hintertreppe zu den Schuppen.
»War der Safe abgeschlossen?« fragte Charlotte unterdessen ihre Schwiegertochter.
»Das ist er nie, das weißt du doch.«
»Somit wäre das also die erste Lektion«, knurrte Charlotte. »Wenn wir schon einen Safe haben, sollten wir ihn auch richtig benutzen. Schütte mir bitte etwas Wasser in die Waschschüssel. Danach ziehe ich mich sofort an.«
Doch Louisa setzte sich wieder aufs Bett. »Komm, laß dir helfen. Ich wasche dich. Dann fühlst du dich gleich besser.«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Viel können wir ja ohnehin nicht tun.«
»Du glaubst doch nicht wirklich, daß Rupe es war.« Charlottes Stimme verhieß Ärger.
Louisa goß Wasser aus dem Porzellankrug in die Schüssel. »Es scheint keine andere Erklärung zu geben. Victor ist furchtbar aufgebracht. Als er zu mir kam, war er kreidebleich. Ich dachte schon, er sei krank. Es dauerte eine Stunde, bis er sich dazu durchringen konnte, dir zu sagen, was passiert ist.«
»Dennoch sollte er keine vorschnellen Schlüsse ziehen.«
»So kannst du es nicht nennen, Charlotte.« Louisa tauchte den Schwamm in das kühle Wasser und drückte ihn aus.
Sie hielt sich zurück, als sie ihre Schwiegermutter wusch und ihr beim Anziehen half, da sie wußte, daß Charlottes Wut auf Angst begründet war. Sie empfand Mitleid mit ihr. Sie selbst hatte in dem Moment, als Victor ihr von dem Vorfall berichtete, gewußt, daß Rupe der Schuldige war, ließ ihn die entsprechenden Schlüsse jedoch selbst ziehen, da sie sich nicht vorwerfen lassen wollte, Rupe gegenüber voreingenommen zu sein. Als er sich endlich entschloß, mit Charlotte darüber zu reden, bestand er darauf, sie als moralische Unterstützung mitzunehmen. Das war auch gut so, denn ihre Schwiegermutter beschuldigte in ihrem Schmerz alle anderen, sogar Victor, nur um die Schuld nicht bei ihrem jüngsten Sohn suchen zu müssen.
»Bist du sicher, daß das Geld weg ist? Vielleicht hat Victor es nur verlegt. Er ist manchmal ganz schön geistesabwesend.«
»Wir haben das ganze Büro auf den Kopf gestellt, um diese Möglichkeit auszuräumen. Die Kassette stand offen auf dem Tisch.«
»Aber deswegen gleich Rupe als den Schuldigen hinzustellen … Er ist gestern nur zum Tanzen gegangen und kommt bestimmt bald nach Hause.«
»Und zu diesem Zweck hat er alle seine Sachen mitgenommen? Wenn du fertig bist, können wir ja hinuntergehen.«
Charlotte zupfte nervös an ihren Haaren. »Ich gehe nirgendwohin. Ich will hier auf Victor warten. Falls wir etwas zu besprechen haben, sollten wir es hier tun und nicht in Gegenwart der Mädchen. Sie dürfen nichts merken.«
»Hannah wird mißtrauisch, wenn wir nicht zum Frühstück erscheinen.«
»Was interessiert mich das Frühstück?« erwiderte Charlotte entgegen ihrer eigenen Logik.
Louisa seufzte. »Ich muß jedenfalls Teddy anziehen. Soll ich dir etwas zu essen raufschicken?«
»Ich habe keinen Hunger. Ich warte hier!«
Nachdem sie für Teddys Essen gesorgt und bei Hannah eine lahme Entschuldigung dafür vorgebracht hatte, daß weder sie noch Charlotte frühstücken wollten, sprach sie mit Nioka.
»Würdest du bitte mit Teddy spazieren gehen? Ich habe heute morgen zu tun.«
Der Junge freute sich, da er Nioka liebte und ihr wie ein Hund überallhin folgte.
»Können wir zu den Schafen gehen?« fragte er. Nioka nickte. Louisa wollte die schwarze Frau schon bitten, vorsichtig zu sein, hielt
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