Sterne im Sand
mehr hier.« Er untersuchte die Ränder, halb verborgen unter trockenem Gebüsch, und ihn schauderte. Der Dingo hatte sie hierhergeführt. Ein Hund konnte die Spalte mühelos überspringen, doch für einen nichtsahnenden Reiter und sein Pferd stellte sie eine gefährliche Falle dar.
Auch als er den Hang wieder hinunterritt, fühlte sich Victor noch unbehaglich. Seine mangelnde Vorsicht beunruhigte ihn. Doch als er um den Hügel vor dem Haus bog, schüttelte er die Gedanken an Moobuluk ab und lockerte die Zügel, damit das Pferd sich seine Anspannung von der Seele laufen konnte.
Rupe erwartete ihn bei den Ställen. »Wo warst du? Die beiden neuen Grenzreiter sind da. Sie wollen wissen, wieviel wir ihnen bezahlen.«
»Das sage ich ihnen am Ende der Woche, wenn ich weiß, was sie können. Schick sie morgen mit einem unserer Jungs hinaus. Sie müssen unsere Grenzen wie ihre Westentasche kennen. Damit sind sie mindestens eine Woche beschäftigt.«
»Ich habe ihnen gesagt, sie könnten sich Gewehre und Munition aus dem Lager holen.«
»Das war falsch. Sie brauchen im Augenblick keine Schußwaffen; damit lenken sie nur die Aufmerksamkeit auf sich. Offiziell werden sie als neue Viehhüter eingeführt, die nach streunenden Schafen suchen. Und dabei soll es vorerst auch bleiben. Du darfst nicht vergessen, daß dieses Gesetz noch nicht unter Dach und Fach ist. Es könnte sich immer noch als falscher Alarm erweisen.«
Moobuluk sah zu, wie der Sohn namens Victor den Hügelkamm verließ. Sein Haar war gelb wie das seines Vaters, und er war ebenso neugierig. Der dritte Sohn hingegen hatte ihm lediglich im Vorbeireiten einen Blick zugeworfen. Der mittlere, Harry, lebte nicht mehr hier, wie er sich hatte sagen lassen.
Was wollte er von ihnen? Er hatte Victors Frage gehört, wußte aber noch keine Antwort darauf.
Moobuluk hatte sich bei den Küchenlagern der Männer von der Farm verborgen und ihren Gesprächen gelauscht, doch die verschwundenen schwarzen Kinder waren mit keinem Wort erwähnt worden. Die schwarzen Hausmädchen bestätigten, daß auch die Familie nicht von ihnen sprach. Niemand schien einen Gedanken an sie zu verschwenden außer Teddy, der seine Freunde vermißte, und ihm hatte man lediglich gesagt, sie seien nicht mehr da. Die Weißen hatten sie völlig vergessen, als habe ihr kurzes Leben sie nie berührt; sie galten ihnen weniger als die unzähligen Schafe, die sie so liebevoll fütterten und bewachten.
Moobuluk hatte bemerkt, daß Victors Pferd beinahe in die Spalte geraten war, die der Schlangengeist vor Urzeiten geformt hatte, um seine Kinder darin zu verbergen. Der schlaue alte Dingo hatte sie absichtlich auf diesen Weg geführt; vermutlich wollte er sich für den Peitschenhieb rächen.
So. Er wischte sich den Staub aus den Augen. Was nun? Moobuluk besaß neben den schwarzen Hausmädchen noch einen weiteren Spion – Spinner, der mehr weiß als schwarz war. Jedenfalls, was die Hautfarbe betraf. Er entstammte der Verbindung zwischen Gabbidgees Schwester und einem Scherer, dessen Haar so gelb wie das der Brodericks gewesen war. Spinner hatte sich immer für die Lebensweise der Weißen interessiert und liebte Pferde. Niemand wußte, woher sein Name kam, doch das war auch nicht wichtig. Der Junge hatte sich von Kindesbeinen an in den Ställen herumgetrieben und willig mit Hand angelegt, solange er bei den Tieren bleiben durfte.
Als er sich eines Tages weigerte, ins Lager zurückzukehren, und lieber im Stall schlief, hatte ihn seine Mutter ziehen lassen. Sie wußte, daß er dort glücklich und sicher war. Irgendwann hatten die Weißen begonnen, seine Gegenwart als selbstverständlich hinzunehmen. Spinner entwickelte sich zu einem geschickten Reiter und arbeitete nun schon seit mehreren Jahren fest auf der Farm.
Da er wie ein Weißer lebte, beriet sich Moobuluk mit ihm in der Stille des Buschlandes.
»Wo sind unsere Kinder?«
»Man hat sie in die große Stadt gebracht.«
»Um sie zu lehren, wie Weiße zu leben?«
»Ja.«
»Warum konnten sie es ihnen nicht hier beibringen? Mit dir haben sie es doch auch so gemacht.«
»Weil sie ihnen beibringen, wie man ein Christ wird.«
»Was soll das sein?«
»Ich weiß es nicht genau. Aber sie knien sich zum Beten hin. Ich habe gesehen, wie Weiße es tun.«
»Was ist Beten?«
»Mit den Geistern sprechen.«
»Aha. Und was wissen sie von den Geistern?«
Spinner lachte. »Keine Ahnung.«
»Wann kommen sie wieder?«
Spinner schüttelte den Kopf. »Frag
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