Sterne im Sand
mich nicht.«
»Du solltest dich doch für mich danach erkundigen.«
»Keiner weiß Bescheid. Vielleicht nie. Ich habe mit diesem neuen Scherer gesprochen, und er sagt, sie sollen in der Stadt vergessen, daß sie Schwarze sind.«
»Wie soll das gehen? Das ist unmöglich.«
Spinner streckte hilflos die Hände aus. »Ich weiß es nicht. Es tut mir auch leid, aber ich kann nichts daran ändern.«
»Du könntest sie holen. Du bist in ihren Städten gewesen.«
»Aber noch nie so weit. Außerdem würden sie mich nicht gehen lassen. Vielleicht kommen sie ja nächstes Jahr zurück, wenn sie ein Jahr lang gelernt haben.«
Er klang nicht allzu überzeugt, doch Moobuluk nahm ihm ein Versprechen ab. Spinner sollte ihm Bescheid geben, sobald die Jungen zurück wären.
»Bleibst du dieses Mal bei uns, alter Mann?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Moobuluk betrübt. »Doch ich werde Nachrichtenstäbe vorbereiten lassen. Kennst du dich noch damit aus?«
»Sicher.«
»Dann halte die Ohren offen. Ich werde es dir nicht verzeihen, wenn du mich im Stich läßt.«
Spinner nickte und knackte nervös mit den Knöcheln. Er war nicht so sehr Weißer, als daß er es gewagt hätte, diesem Mann gegenüber sein Wort zu brechen. Wenn Moobuluk mit dem Knochen auf ihn zeigte, hätte sein letztes Stündlein geschlagen.
»Also …«, erklärte Moobuluk den Ältesten, »mir erscheint es als der einzige Weg, wenn ihr nicht noch mehr Kinder verlieren wollt. Ich werde mich zurückziehen, damit ihr in Ruhe entscheiden könnt. Wenn ihr meinem Vorschlag zustimmt, könnt ihr ihn den Leuten unterbreiten; die Entscheidung ist schwer, und sie müssen die Gelegenheit haben, ausführlich darüber zu sprechen.«
Die alten Männer berieten Tag um Tag ernsthaft miteinander, saßen dann gedankenverloren am Lagerfeuer und verkündeten schließlich, daß beim nächsten Mond ein Korrobori stattfinden würde. Dies war die übliche Zeit für das alljährliche Fest der Bäume, die den Menschen ihre Reichtümer, die harten, runden Nüsse schenkten, die nach dem wilden Honig als süßeste Gabe der Natur galten. Die Ältesten besaßen das Recht, den genauen Tag festzusetzen.
Sie hatten vereinbart, daß dies die beste Gelegenheit sei, um dem Clan eine Sache zu unterbreiten, die für sie alle von höchster Wichtigkeit war.
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4. Kapitel
Die Schur war in vollem Gange, und auf Springfield herrschte energische Betriebsamkeit. Tausende von Schafen wurden von den weiträumigen Weiden hereingetrieben, auf der Schulter in Hürden getragen und gelangten von dort aus zu den schwitzenden Männern in den Wollschuppen. Wenn sie weiß, dünn und nackt wieder auftauchten, sprangen sie wie befreit in die nächsten Hürden. Von dort aus öffneten sich die Tore zur Freiheit, und die kläffenden Hunde trieben sie auf ihre angestammten Weiden zurück.
In den Schuppen ging die Arbeit unablässig weiter. Man behielt die Tafeln im Auge, auf denen die Leistung der schnellsten Scherer verzeichnet wurde. Jedes Jahr aufs neue wurden die älteren, erfahrenen Männer von Anfängern und jungen Wilden herausgefordert, während die übrigen Wetten abschlossen auf die täglichen Zahlen und den Gesamtdurchschnitt. Alle freuten sich darauf, das letzte Schaf zu scheren, denn Springfield war bekannt für seine erstklassige Abschlußfeier.
Für diese turbulenten Wochen wurde eine zusätzliche Köchin eingestellt, die in einem langen Küchenschuppen, einem Anbau der eigentlichen Küche, Hannah zur Hand ging. Auch die Frauen aus dem Haus halfen mit. Hannah buk mit Hilfe von Louisa Scones, die Dampers genannten Fladenbrote sowie Obstkuchen. Die Hausmädchen packten bei der Wäsche, im Obstgarten, der Molkerei und vor allem dem Schlachthaus mit an, denn die hungrigen Männer vertilgten ungeheure Fleischmengen.
Obwohl sie sich um ihren Mann sorgte, führte Charlotte Springfield tüchtig wie immer durch diese hektische Zeit. Austin konnte inzwischen das Bett verlassen. Sein ›totes‹ Bein, wie er es nannte, behinderte ihn aber noch, und er war auf Übungen und Massagen angewiesen, um dessen Beweglichkeit zu fördern. Charlotte ermutigte ihn dazu. Ungeachtet ihres Protestes spannte sie auch Victor und Rupe ein, ihm bei seinen Übungen behilflich zu sein. Für die Zeit, da die beiden bei der Schur unabkömmlich waren, ließ Charlotte eine muskulöse Schwarze kommen, die Gefallen daran fand, die Beine des Bosses zu kneten. Sie erledigte diese Aufgabe besser als alle anderen.
Austin, dem die
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