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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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über die Traumzeit fasziniert. Er und Harry sprachen den örtlichen Dialekt beinahe so gut wie Austin, da die schwarzen Kinder ihre einzigen Spielgefährten gewesen waren. Die Erzählungen über ehrfurchtgebietende Magier hatten sie oft in Schrecken versetzt, und einige dieser dunklen Ängste waren geblieben.
    Austins Verhältnis zu den Schwarzen war immer zwiespältig gewesen und hing von seiner jeweiligen Stimmung ab. Gerade hatte er sich noch maßlos über sie geärgert, und im nächsten Moment bekam Victor mit, wie sein Vater Gäste mit erstaunlichen Geschichten über ihre Kenntnisse des Landes und ihr zweites Gesicht unterhielt. Er pflegte zu behaupten, daß einige von ihnen magische Kräfte besäßen. Oft genug hatte Victor die Geschichte von dem schwarzen Medizinmann mit angehört, einem Zauberer, der an zwei Orten gleichzeitig aufgetaucht war. Und sein Vater war angeblich selbst dabei gewesen, als sich einer dieser Magier vor seinen Augen in einen riesigen Dingo mit flammendem Schlund verwandelt hatte.
    Victor wußte nicht, ob es sich dabei um die Geschichte eines Betrunkenen oder um eine Halluzination handelte. Obwohl er selbst nie das Glück gehabt hatte, Zeuge solcher Ereignisse zu werden, hatte auch er von Schwarzen mit erstaunlichen Fähigkeiten gehört. Es war nicht leicht, das Mögliche vom Unmöglichen zu trennen.
    Nun sorgte sich Victor wegen des alten Zauberers, dem er noch nie begegnet war. Man erzählte sich viel über Moobuluk. War der Alte wieder einmal gekommen, um einen Tod zu bezeugen? Wie bei Minnies Mutter war er auch diesmal aus heiterem Himmel aufgetaucht, als wisse er, daß ein derartiges Ereignis bevorstand. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Ging es um Austin? Hatten die geheimnisvollen Kräfte Moobuluk ein Zeichen gegeben, daß der Boß bald sterben würde?
    Victor schlug die Hände zusammen, um sich von diesen deprimierenden Gedanken loszureißen. Das war genau die Stimmung, die Schwarze vor Angst erzittern ließ. Und er wußte nichts Besseres, als es ihnen gleichzutun, wo doch Austins Genesung so offensichtliche Fortschritte machte.
    »Dieser verdammte Moobuluk!« murmelte er vor sich hin.
    »Der wird mir keine Angst einjagen.«
    Dennoch machte Victor am späten Nachmittag – er befand sich gerade auf dem Heimweg von den Weiden, wo sie die Schafherden zusammentrieben, um sie zur Schur auf die Koppeln nahe des Hauses zu bringen – einen Umweg zum Hügelkamm. Und siehe da, der alte Kerl stand mit seinem Dingo wirklich dort. Beinahe arrogant hatte er sich genau dort aufgepflanzt, wo man den besten Ausblick auf das Haus genoß – in der uralten Position, bei der ein Fuß auf einem Knie ruhte. Den langen Stock hielt er entschlossen vor dem Körper.
    Kein Wunder, daß Rupe ihn mit einer Bronzestatue vergleicht, dachte Victor grinsend. Das ist einer ihrer Tricks. Moobuluk stand nämlich mit dem Gesicht zur untergehenden Sonne, so daß sein Körper in kupferglänzendes Licht getaucht wurde und schon von weitem eine eindrucksvolle Erscheinung abgab.
    Victor wandte sein Pferd und galoppierte auf den Hügelkamm zu. Er zwang das Tier einen steilen Zickzack-Pfad hinauf, doch als sie oben auf dem Plateau ankamen, erwartete sie nur der knurrende Dingo. Von seinem Herrn war nichts zu sehen.
    Victor holte mit seiner Viehpeitsche aus, und der Hund wich grollend zurück.
    »Was willst du, alter Mann?« rief er in ihrer Sprache. »Boß-Mann ist krank. Sprich mit mir.«
    Eine staubgeschwängerte Bö wehte über den Hügelkamm heran, und der Hund wandte sich ab. Victor zog den Hut tiefer ins Gesicht und folgte dem Tier, wobei er sein Pferd fest am Zügel hielt. Der Staubsturm wurde stärker, die Sicht immer schlechter. Er schaute sich suchend um, da er dem alten Kerl von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen wollte. Dann könnte er Austin wenigstens erzählen, daß er dem legendären Zauberer begegnet war. Den Dingo konnte er gerade noch ausmachen. Vielleicht würde das Tier ihn zu Moobuluk führen. Doch plötzlich wieherte das Pferd und rutschte zur Seite. Victor stand am Rande einer tiefen Felsspalte.
    »Jesus!« rief er aus und riß das Pferd mit klopfendem Herzen zurück.
    Er stieg ab und tätschelte es, damit es sich beruhigte. »Braver Junge. Mein Gott, das war aber knapp. Ich hätte besser aufpassen sollen. Braver Junge, so dumm bist du nicht, was?«
    Er ließ das Pferd stehen und trat allein vor. »An diesen Spalt kann ich mich gar nicht erinnern. Doch ich war auch schon lange nicht

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