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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Papier, damit er aufschreiben konnte, was er von ihnen wünschte, und bückte sich klaglos danach, wenn er damit um sich warf. Er konnte mit der linken Hand nicht leserlich schreiben, und der Anblick seines Gekritzels verstärkte nur noch seinen Zorn.
    Charlotte war die ganze Zeit bei ihm und verärgerte die anderen damit, daß sie selbst die trivialste Unterhaltung mit warnendem Stirnrunzeln begleitete oder gar unterbrach. Sie wußten, daß sie weder die Landgesetze noch die Landkarten oder den ominösen Brief des Bankdirektors erwähnen durften. Ebensowenig die Tatsache, daß bereits die ersten Scherer eintrafen, um sich die besten Unterkünfte zu sichern. Auch nicht, daß Minnie verschwunden war. Alles, was mit dem Besitz zu tun hatte, schien tabu. Laut Victor wurde Austin derart in Watte gepackt, daß ihnen kein Gesprächsthema mehr einfallen wollte, das nicht Charlottes Mißfallen erregt hätte.
    »Das Hengstfohlen ist ein eigensinniger Bursche«, berichtete Victor seinem Vater. »Rennt herum und tritt in alle Richtungen.«
    Charlotte, die hinter Austin stand, schüttelte den Kopf. Vermutlich stieß sie sich an den Worten »rennt herum«, die seinem Vater womöglich die eigene Bewegungslosigkeit in Erinnerung brachten. Doch er beschloß, ihr diesmal keine Beachtung zu schenken, und fuhr fort.
    »Er ist eine richtige kleine Schönheit. Louisa durfte ihm einen Namen geben, weil …« Er wollte sagen, »weil ihr die Feier zu unserem Hochzeitstag entgangen ist«, begriff aber, daß er sich damit auf unsicheres Terrain begab, da Austin an jenem Abend den Schlaganfall erlitten hatte. Charlotte würde ihn erwürgen, wenn er diesen Tag erwähnte. Andererseits ruhte Austins Blick auf ihm, und er hörte aufmerksam zu. Die Namensgebung der Vollblüter sowie der edlen Merinoschafe lag ihm sehr am Herzen; schon oft war es darüber zu Auseinandersetzungen gekommen.
    »Weil sie an der Reihe war«, stammelte er den Satz zu Ende.
    »Die Stute stammt von Joybelle ab, deshalb hat Louisa das Fohlen ›Teddy’s Joy‹ genannt.«
    Austins Augen und die linke Hälfte seines Gesichts verzogen sich zu einer lächelnden Grimasse. Victor lachte erleichtert mit. Teddy hatte ihn aus einer peinlichen Lage gerettet.
    Draußen packte er Rupe am Arm. »Hast du sein Gesicht gesehen?«
    »Ja, es ist förmlich auseinandergefallen.« Rupe haßte das Krankenzimmer und kam nur herein, wenn es die Pflicht verlangte.
    »Aber vorher war es ganz schlaff. Als er eben gelächelt hat, konnte er die eine Hälfte bewegen!«
    »Das bildest du dir bloß ein.«
    »Nein. Meinst du, ich sollte es ihm sagen? Das würde ihn vielleicht aufmuntern.«
    »Frag Mum. Sie hat hier das Sagen. Ich glaube, sie freut sich, daß sie ihn endlich unter ihrer Fuchtel hat.«
    Victor kam es vor, als sähe sein Bruder den Vater auch nicht ungern als Invaliden. Er strahlte auf einmal eine ganze neue, beunruhigende Autorität aus. Während Austin und Victor die Farm geleitet hatten, hatte Rupe apathisch, ja sogar faul daneben gestanden und nur dann mit Hand angelegt, wenn es ihm in den Kram paßte. Jetzt jedoch steckte er voller Tatendrang und Ideen – nicht nur, was die neuen Grenzziehungen betraf, sondern auf allen Gebieten, von der Merinozucht bis zum Arbeitspensum ihrer Grenzreiter. Zum ersten Mal kam Victor ins Grübeln, ob sein Bruder irgendwann nicht auch seine eigene Autorität in Frage stellen würde.
    »Erinnerst du dich übrigens an diesen alten Cullya-Burschen, den Daddy kannte, diesen Zauberer? Er ist wieder da. Wie hieß er doch gleich?«
    »Moobuluk«, antwortete Victor.
    »Genau. Ich haben ihn jetzt drei Abende hintereinander bei Sonnenuntergang gesehen.«
    »Woher weißt du, daß er es ist?«
    »Weil Austin sagte, er sei aufgetaucht, als Minnies Mutter starb. Er ist mit ihnen verwandt. Und zieht mit einem dreibeinigen Dingo umher. Jedenfalls ist der alte Bursche nach Hause gekommen und steht Abend für Abend auf der Felsklippe über dem Tennisplatz. Wir arbeiten da draußen. Wenn ich heimkomme, sehe ich ihn jedesmal wie eine Bronzestatue samt räudigem Dingo am Rand der Klippe stehen. Was er wohl von uns will?«
    »Nichts. Er ist einfach nach Hause gekommen. Aber an deiner Stelle würde ich es Austin gegenüber nicht erwähnen.«
    Rupe grinste. »Zu Befehl, Charlotte!«
    Doch Victor nahm diese Neuigkeit nicht so gleichmütig auf, wie er vorgab. Abergläubische Vorstellungen quälten ihn. Als Junge hatten ihn die Geheimnisse der Aborigine-Kultur und die Geschichten

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