Sterne im Sand
gesagt. »Sie sollte es verkaufen und sich nach etwas Kleinerem umsehen.«
Austins Antwort hatte sie verblüfft. »Du hast doch auch ein großes Haus, warum also sie nicht?«
»Mag sein«, sagte Charlotte nun zu sich selbst, während sie an Victors Schreibtisch die vielen Briefe beantwortete, »aber Fern gehören das Haus
und
das Juweliergeschäft.«
Nachdem sich die erste Panik angesichts Austins Schlaganfall gelegt hatte, suchte Charlotte seine Schlüssel und öffnete den Safe in seinem Büro. Der Raum lag in seinem Privatflügel und grenzte an den clubähnlichen Bereich. An den Wänden standen deckenhohe Regale, die die gesamte Geschichte von Springfield enthielten: sorgfältig geführte Aufzeichnungen über Viehbestand, Land und Wasserversorgung, Wetterberichte, die Stammbäume der Pferde und, in ledergebundenen Bänden, die Herkunft der Merino-Zuchtwidder, seiner Lieblinge. Diese Aufzeichnungen gaben auch Auskunft über die Entwicklung der Wollpreise und boten eine Fülle von Informationen über die Schafzucht und Wollverarbeitung, die Austin persönlich gesammelt hatte und die bis in die Zeit Macarthurs zurückreichten. Als Charlotte während seiner Abwesenheit einmal das Büro in Augenschein genommen hatte, war sie erstaunt und beeindruckt gewesen, wie gründlich ihr Mann sich mit dem Thema Schafzucht beschäftigt hatte. Kein Wunder, daß er im Gegensatz zu vielen anderen einen so überwältigenden Erfolg damit erzielt hatte.
Doch diesmal untersuchte sie den Safe, während Austin, von Schlafmitteln betäubt, schnarchte. Er enthielt viel Bargeld, Tausende von Pfund, die vermutlich an den Steuerprüfern vorbeigeschmuggelt werden sollten, die Springfield gelegentliche unangemeldete Besuche abstatteten. Dann fanden sich darin noch ein dickes Bündel Banknoten und eine goldene Krawattennadel, die von einem Band zusammengehalten wurden. Auf einem beigefügten Zettel stand: »Für Teddy, von seinem Opa.«
Charlotte lächelte. Wie süß. Typisch Austin. Doch das Geld war es nicht, was sie interessierte. In Victors Safe hatte sie ebenfalls eine Menge Bargeld gefunden, das für Gehälter und Einkäufe vorgesehen war.
Dann entdeckte sie endlich Austins Testament. Es war einfach gehalten und notariell beglaubigt. Darin hinterließ er Springfield seinen drei Söhnen zu gleichen Teilen.
Charlotte stellte fest, daß ihr lebenslanges Wohnrecht auf der Farm eingeräumt wurde. Wie nett, dachte sie bitter, ich darf also in meinem eigenen Heim wohnen bleiben.
Das Testament bestätigte einen schon länger gehegten Verdacht. Austin hatte ihn dadurch ausgelöst, daß er die Farm immer nur als Vermächtnis für seine Söhne bezeichnete und die Rechte seiner Frau für den Fall, daß er vor ihr sterben sollte, mit keinem Wort erwähnte. Charlotte hatte sich entschlossen, mit ihm darüber zu sprechen, doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt. Erst mußte Austin völlig wiederhergestellt sein.
Im Testament fanden sich noch weitere Legate.
Bedienstete wie Hannah, zwei Aufseher, Carter, der alte Lagerverwalter und ein Schmied, der inzwischen gestorben war, sollten jeweils hundert Pfund erhalten. Seiner verwitweten Schwägerin Fern Broderick vermachte er zum Gedenken an seinen geliebten Bruder Justin fünftausend Pfund.
Sicher, Fern war ein netter Mensch, doch eigentlich hätte Charlotte guten Grund gehabt, ihr zu zürnen.
Was war aus Kellys Anteil an Springfield geworden? Kelly hatte hart für seinen Traum gearbeitet und mit einem furchtbaren Tod dafür bezahlt. Aus diesem Grund hatte Charlotte sich auch nie mit den Schwarzen anfreunden können, die sie für die Ermordung ihres Bruders verantwortlich machte. Gemäß den Anweisungen ihres Mannes bildete sie die Aborigine-Mädchen aus und lernte ihre Gegenwart zu ertragen, doch sie hatte sich nie getraut, Austin zu gestehen, daß sie ihr im Grunde herzlich egal waren. Sie sehnte sich so verzweifelt nach Austins Liebe, daß sie sich ihm gänzlich unterwarf und ihre eigene Meinung zurückstellte, um ihn nicht zu verärgern. Charlotte war sich wohl bewußt, daß sie nicht sonderlich hübsch war, doch hatte sie immerhin den bestaussehenden Mann weit und breit für sich gewonnen. Das mußte doch auch etwas zählen. Ihr waren die bewundernden Blicke so mancher Frauen nicht entgangen, die ihm galten; aber er gehörte ihr, und das sollte auch jede wissen.
Doch seinem Testament zufolge würde sie nichts erhalten. Austin hielt es anscheinend für selbstverständlich, daß sich seine
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