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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Geheul mischte sich mit dem Stöhnen und Klagen der kranken Frauen, doch die Aufseherin konnte nichts für sie tun.
    Jagga fand sich nach ein paar Tagen mit den veränderten Umständen ab und zog weiter durch die Flure, wobei er ein altes rotes Kissen fest an sich drückte. Für Doombie war es jedoch zuviel. Er blieb auf ihrem Lager, einem Haufen ausgemusterter Decken, die in der äußersten Ecke eines Schlafsaals aufgestapelt lagen, und rührte sich nicht von der Stelle. Die Aufseherin verzweifelte allmählich auch. Sie litt unter Fieberschüben und wußte, daß sie nicht mehr lange durchhalten würde. Der einzige Lichtblick des Tages bestand für sie in den Besuchen gutsituierter Frauen aus den Wohltätigkeitsvereinen, die Körbe mit Nahrungsmitteln und Medikamenten für die Insassen mitbrachten. Die meisten wollten wirklich helfen und betrachteten die Zustände im Armenhaus voller Entsetzen. Die Aufseherin verließ sich mittlerweile völlig auf ihre Großzügigkeit.
    Ihr war durchaus bewußt, daß einige dieser Frauen nur kamen, um sich zu zeigen, alberne, zimperliche Geschöpfe, die sich ihrer guten Taten rühmten, sich aber nur selten aus den gemauerten Empfangsräumen in die baufälligen, hölzernen Konstruktionen für die Insassen wagten. Andere jedoch besuchten die Kranken, knieten neben den Pritschen und fütterten sie mit Suppe; sie reinigten die Schuppen mit Besen und Scheuerlappen und scheuten auch nicht vor den Gemeinschaftstoiletten zurück. Sie sorgten dafür, daß Ärzte die Patienten untersuchten; sie betraten ohne Hemmungen die Männerunterkünfte und forderten das Personal auf, diese zu putzen; auch die Küchen blieben nicht verschont. Vor allem aber machten sie dem faulen Leiter die Hölle heiß und plagten ihn unablässig mit ihren gerechtfertigten Beschwerden über die Zustände in seiner Institution.
    Die Aufseherin liebte diese Frauen. Sie waren einzigartig und schreckten auch nicht davor zurück, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen. Sie verfaßten einen Bericht über die Lage im Armenhaus, den sie dem Premierminister vorlegten, und verlangten die Entlassung des Leiters, der durch einen kompetenten Verwalter ersetzt werden sollte. Molly Giles wußte, daß es über kurz oder lang dazu kommen würde, doch so lange konnte sie nicht mehr durchhalten.
    Als sie eines Morgens wie gewöhnlich die Damen in der Eingangshalle begrüßte, hatte Jagga es sich in den Kopf gesetzt, sie für keinen Augenblick aus den Augen zu lassen. Er hing an ihrem Rockzipfel und spähte zu den Neuankömmlingen mit ihren schweren Körben hinauf. Dann schien ihn irgend etwas an seine Vergangenheit zu erinnern. Die meisten Frauen hatten schwarze Kleider und Schürzen an. Eine von ihnen, die offenbar zum ersten Mal hierherkam, trug ein hübsches, blaues Kleid und hob sich mit dem blonden Haar und der hellen Haut deutlich von ihren Begleiterinnen ab. Jagga stürzte auf sie zu und preßte sich an ihre bauschigen Röcke.
    »Miss Louisa!«
    Die Dame lächelte erfreut.
    »Wer bist denn du, mein Kleiner?« fragte sie freundlich.
    »Teddy!« schrie er. »Teddy!«
    Die Aufseherin lachte und versuchte, ihn zurückzuziehen. »Nein, du bist Jagga.« Sie sah zu der Frau hoch. »Ich habe ihn noch nie zuvor Englisch sprechen hören. Komm, Jagga, laß die Damen vorbei.«
    »Was macht er hier?« fragte eine ältere Frau.
    »Er ist einfach bezaubernd«, warf Jaggas neue Freundin ein.
    »Diese riesigen Augen und herrlichen Locken.«
    »Er gehört zu dem Trio, von dem ich Ihnen erzählt habe«, erklärte die Aufseherin. »Man hat die Jungen vor unserer Tür ausgesetzt. Wir haben sie vorübergehend aufgenommen, konnten bisher aber nur einen von ihnen unterbringen.«
    »Ist er ein Waisenkind?« wollte die hübsche junge Frau wissen.
    »Sieht ganz so aus. Bisher hat ihn jedenfalls niemand zurückverlangt.«
    »Dabei ist er so süß. So ein kleiner Liebling.«
    Buster war verblüfft, als ihm seine Schwester die Neuigkeit überbrachte. »Ich habe jemanden gefunden, der Jagga nehmen möchte. Eine der Damen vom Wohltätigkeitsverein. Sie will ihn bei sich zu Hause aufnehmen. Ist verheiratet und hat keine Kinder. Könntest du ihn holen und gründlich reinigen, ich habe so viel zu tun. Beeil dich, bevor sie es sich wieder anders überlegt.«
    »Guter Gott! Einfach so?«
    »Ja. Zum Glück hat Jagga Gefallen an ihr gefunden.«
    Als Buster das frisch geschrubbte Kind in schlechtsitzendem Hemd und viel zu langen Hosen vorführte, brach die Dame in

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