Sterne im Sand
Begeisterungsrufe aus.
»Was für ein kleiner Schatz! Du kommst mit mir heim, Jagga, mit deiner neuen Mami.«
»Louisa«, berichtigte er, und sie kicherte.
»Nein, Mami. Und dich werde ich Jack nennen. Das wird alles ganz wunderbar.« Sie sah Buster an. »Ist das nicht herrlich? Jetzt habe ich meinen eigenen kleinen Mohren.«
Buster hatte noch nie von dieser Rasse gehört. »Nein, er ist ein Aborigine.« Er schaute zu Jagga hinunter und legte ihm seine schwere Hand auf die Schulter. »Sei lieb zu der Lady.«
Diesmal gab es keine Tränen. Bobbos Verschwinden hatte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kinder ohnehin zerstört.
»Du siehst in letzter Zeit nicht gut aus«, sagte Buster zu seiner Schwester. »Du solltest dir ein bißchen mehr Ruhe gönnen.«
»Ich weiß etwas Besseres. Ich werde in den Ruhestand gehen.«
»Was?« Buster konnte es nicht fassen. Nach seiner Erfahrung verließ man eine Stelle nur, wenn man gefeuert wurde oder im Zorn kündigte. Wer der Arbeiterklasse angehörte, ging nicht in den Ruhestand.
»Kannst du dir nicht eine andere Stelle suchen?«
Seine Schwester schüttelte müde den Kopf. »Ich will keine andere Stelle. Mir reicht es, ich bin zu alt dafür. Es wird Zeit, daß ich mich zurückziehe.«
»Und wovon willst du leben?«
»Ich habe genug gespart. Außerdem besitze ich das kleine Haus in Camp Hill. Zur Not könnte ich immer noch als Hebamme arbeiten, das wäre sehr schön. Du kannst zu mir ziehen, wann immer du willst.«
»Da brat mir einer ’n Storch. Und wann ist es soweit?«
»Ende dieser Woche. Ich habe dem Leiter schon gesagt, daß ich kündige. Er wurde ziemlich unangenehm und erklärte, das ginge nicht. Er würde mir kein Zeugnis ausstellen.« Sie grinste. »Als ob ich so etwas noch bräuchte.«
»Da brat mir einer ’n Storch«, sagte Buster noch einmal. »Kann ich auch in den Ruhestand gehen, wenn ich fleißig spare?«
Sie ergriff seinen Arm und führte ihn zu einer Seitentür, durch die das Tageslicht hereinströmte. »Du machst deine Arbeit gut, also bleib, so lange es geht. Aber du kannst, wie schon gesagt, jederzeit zu mir ziehen, falls du die Finger weiterhin vom Schnaps läßt.«
In diesem Moment drängte sich eine Frau mit einem Wäschekorb durch die Tür. »Aufseherin, die suchen unten im Schlafsaal nach Ihnen. Sagen, das schwarze Kind wär’ krank.«
Doombie glühte vor Fieber. Molly badete ihn in warmem Essigwasser, machte eine kleine Pritsche frei und flößte ihm eine in Wasser aufgelöste Medizin ein, die sie für Grippefälle bereithielt. Dennoch machte sie sich Sorgen. Er wirkte so klein und zerbrechlich, daß sie an ihren Heilkünsten zweifelte.
In dieser Nacht wurde er von einem harten Husten geschüttelt. Sie rieb ihm die Brust mit Eukalyptus ein und wickelte ihn in weiche Tücher, damit die Dämpfe der Salbe auf Hals und Brust wirken konnten. Sie hob ihn hoch und drückte ihn an sich. Er war fast bewußtlos, doch sie spürte seine Angst … die Angst eines verlassenen, einsamen Kindes in einer furchterregenden Umgebung. Molly wußte, daß er neuen Lebensmut fassen mußte. Sie wich tagelang nicht von seiner Seite, sprach mit ihm, sang ihm Lieder vor und wiegte ihn in den Schlaf.
Die Frauen im Schlafsaal verhielten sich still und hofften auf seine Rettung. Selbst in dieser rauhen, herzlosen Umgebung brachten sie Mitleid auf, eine Form des Widerstands gegen eine erbarmungslose Welt. Sie beteten, wachten, lösten die Aufseherin ab, fanden sogar eine Mischlingsfrau, die sich neben Doombie hockte und in ihrer fast vergessenen Sprache mit ihm redete. Sie sagte zwar, er spreche eine andere Sprache als sie, doch ihre Worte gehörten so deutlich in seine Welt, daß sie auf Drängen der anderen Frauen bei ihm blieb.
Am vierten Tag war das Fieber verschwunden, und Doombie sah sie mit wachen Augen an.
Als es ihm besser ging, bat die Aufseherin die Aborigine-Frau, etwas über seine Herkunft herauszufinden. Diese schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich komme von Norden, Missus. Kann nicht viel verstehen, aber er sagt, er kommt aus Busch. Busch mit großem Fluß. Das ist alles er weiß.«
»Auch Bobbo wußte nicht mehr«, seufzte Molly. »Mein Bruder hat sich schon unter den Aborigines hier in Brisbane umgehört, ob irgend jemand drei Kinder vermißt. Bisher hat sich niemand gemeldet. Sie haben offenbar in einem Stammesverband gelebt, aber wo im Busch? Es ist einfach hoffnungslos.«
Buster lächelte stolz, als seine Schwester nach ihrem letzten
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