Sterne im Sand
loszuwerden. Er würde sie sogar selbst in die Mission bringen. Er gab Mr. und Mrs. Billings seinen Segen sowie eine Woche Urlaub, in der sie sich von der langen Reise erholen konnten.
Dann sprach er ein Gebet, und sie dankten dem Herrn auf Knien für ihr tägliches Brot und den fortwährenden Schutz der Kirche des Heiligen Wortes. Hannibal nickte feierlich, als Billings sein Gebet begann:
»Dies ist nur der Anfang. Das Wort wird in ganz Queensland erschallen. Wir werden in jeder Stadt und jedem Dorf eine Kapelle errichten und einen Pastor zu den Lämmern Gottes senden. Amen, sage ich, und noch einmal Amen.«
»Amen«, echote Hannibal und schob sie zur Tür hinaus. Die Kinder im Sessel knabberten noch an ihren Keksen. Auf diese zusätzliche Belastung, die seine schönen Pläne durchkreuzte, hätte er gern verzichtet. Der fette Scheck des Squatters, den er gleich am nächsten Morgen einlösen würde, war eine nette Dreingabe, doch die Kinder bedeuteten nichts als Probleme.
Er fragte sich, ob er sie einfach laufenlassen sollte.
»War ja nur so ein Gedanke«, schalt er sich selbst. Verängstigt kauerten sie sich noch enger im Sessel zusammen, als er nähertrat.
»Ich werde euch schon nicht fressen«, knurrte er. »Spricht einer von euch Englisch?«
»Ich wirklich gut sprechen«, sagte einer der Jungen.
»Was ist mit deinen Freunden?«
»Nicht Englisch. Sie weinen.«
Hannibal schaute in ihre großen, feuchten Augen und nickte.
»Sie können jetzt damit aufhören. Kein Grund zu weinen. Habt ihr noch Hunger?«
Diese Frage zeigte die erwünschte Wirkung: Ihre Aufmerksamkeit war geweckt. Hannibal führte sie in die Küche und sah nach, was dort zu finden war. An diesem Abend bereitete der Bischof ein Mahl aus kaltem Lammfleisch, Kartoffeln, Tomaten, roter Bete, einer Dose Bohnen und altem Brot, das er dick mit Bratfett bestrich. Er stellte alles auf den Tisch, bediente sich zuerst und überließ den Kindern den Rest, den sie gierig verschlangen.
Ihrem Sprecher, dem Jungen namens Bobbo, schienen Küchen nicht fremd zu sein. Er holte Tassen mit Wasser, wartete, bis seine Freunde alles aufgegessen hatten und wischte ihre Hände und Gesichter mit einem feuchten Lappen ab.
»Mr. Billings kommen wieder?«
»Nein. Er ist weg.«
Bobbo lächelte. »Gut. Er böser Mann. Hat uns geschlagen. Wir jetzt nach Hause gehen?«
Hannibal strich seine schönen, grauen Locken glatt. Diese Geste machte er gewöhnlich, wenn er nach einer angemessenen Lüge suchte. »Noch nicht. Erst müßt ihr schlafen.«
Das Durcheinander in der Küche interessierte ihn nicht weiter, da das Haus ohnehin verkauft war. Er brachte die Jungen in ein Hinterzimmer. »Da sind ein Bett und Decken. Ihr könnt hier schlafen.«
Die drei vermochten sich mittlerweile kaum noch auf den Beinen zu halten und torkelten wortlos ins Bett.
Hannibal kehrte zu seinem Brandy zurück. Was sollte er nun mit ihnen anfangen? Einfach hier zurücklassen konnte er sie nicht; die neuen Bewohner würden nach ihm suchen und sie ihm wiederbringen. Im katholischen Waisenhaus, das bereits einige Kinder aus der Mission aufgenommen hatte, konnte er sie auch nicht abliefern, da die Nonnen die Kinder mehrfach mißhandelt hatten. Vielleicht war es möglich, sie einzeln in verschiedenen Kirchengemeinden unterzubringen, doch er befürchtete Probleme, da die Kinder so aneinander hingen.
Dann fiel ihm eine Lösung ein … das Heim für die Mittellosen, allgemein bekannt als Armenhaus. Er würde sich etwas ausdenken müssen, da man dort für gewöhnlich keine so kleinen Kinder aufnahm.
Vor dem Schlafengehen warf er noch einen Blick in das Zimmer der Jungen in der leisen Hoffnung, sie könnten sich durch das Fenster auf und davon gemacht haben, was leider nicht der Fall war. Die drei schliefen, in Decken eingerollt, friedlich auf dem Boden.
Bei Morgengrauen wanderten sie ziellos im Haus umher. Hannibal gab ihnen eine Tasse Milch und packte seine Habseligkeiten in den zweirädrigen Wagen. Ein freundliches Gemeindemitglied hatte ihm Äpfel und Karamelbonbons geschenkt, die er nun als Bestandteil seines Plans unter dem Sitz des Wagens verstaute. Er spannte das Pferd an, rief die Jungen zu sich, und schon bald klapperten die Hufe des Tieres durch die Gasse hinter dem Haus.
Das Tor in der Mauer des Armenhauses stand offen. Er schob die Jungen hinein und wies sie an, auf ihn zu warten.
»Nicht weglaufen«, sagte er zu Bobbo. »Ihr wart sehr brav, deshalb bekommt ihr auch ein
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