Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
schrecklich war, von der Mutter im Stich gelassen zu werden und dann auch noch den Vater zu verlieren.
Maddie schloss die Augen. Hätte ihre eigene Mutter sie behalten, wenn sie nicht bei ihrer Geburt gestorben wäre? Die Antwort auf diese Frage würde sie nie erfahren. Ihre Adoptivmutter war immer für sie da gewesen bis zu ihrem Tod vor acht Jahren. Maddie öffnete die Augen und betrachtete noch einmal die Bronzebüste. John hatte ihr nicht viel über Hannahs Mutter Susan erzählt. Ihr Name hatte genügt, ihn verstummen zu lassen.
Hannah gesellte sich zu ihr. »Hey, Maddie, wo ist die Wandfarbe?«
»Da drüben in der Ecke.« Sie deutete auf die Eimer. »Willst du malern?«
Hannah nickte. »Seit wann geht das Licht?«
»Noch nicht lange.« Maddie versuchte, Hannahs Laune abzuschätzen. Sie schien gut zu sein. »Hast du dich schon für eine Schule entschieden? Wir müssten demnächst Bescheid geben.«
»Danke für die Erinnerung daran, dass die Schule bald anfängt.«
»Tja, es ist nun mal so, und wir müssen uns auf irgendwas einigen.«
»Mullion.«
»Okay.« Maddie setzte sich auf einen Karton. »Ich ruf heute noch dort an.«
Hannah wählte einen Farbeimer und ging.
Wahrscheinlich würde Maddie nie erfahren, warum Hannah sich für Mullion entschieden hatte, aber diese Entscheidung freute sie, weil es ein Neuankömmling wie sie in der kleineren Schule vermutlich leichter haben würde.
»Hallo?«, rief eine Frau von draußen.
»Hier drin.« Maddie stand auf und öffnete die Tür.
»Ich hab gehört, hier wird Hilfe gebraucht.« Die Frau begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. »Ich bin Tamsin.«
»Hi.« Maddie warf einen Blick auf das Chaos. »Allerdings. Hat sich das schon rumgesprochen?«
»Hier gibt’s keine Geheimnisse. Ich bin da, um mit anzupacken.«
Maddie lachte. »Heute scheint mein Glückstag zu sein.«
»Maddie, soll das in die Küche?«, erkundigte sich eine Frauenstimme.
Hannah stürzte ans Fenster. Wer war das? Maddie kannte hier doch niemanden außer diesem komischen Mark. Unten im Hof mühte sich eine zierliche Frau mit einem großen Karton ab. Hannah sah einen dunklen Kopf, nicht viel mehr.
Sie sprang die Treppe voller Freude über das Knarren jeder Stufe hinunter. Das Haus machte tolle Geräusche, die Böden im oberen Stockwerk sangen fast, wenn man darüberging. Im Erdgeschoss gefiel ihr das solide Platschen ihrer Füße auf dem Steinboden. Nur den gammeligen Teppich im Wohnzimmer konnte sie nicht leiden. Wo kam das alte Ding bloß her? Es lud sich bei jedem Schritt elektrisch auf und vereinte die scheußlichsten Brauntöne der Welt in sich.
»Hallo?« Hannah streckte den Kopf zur Küche hinein.
»Du bist sicher Hannah. Ich heiße Tamsin.« Die Frau packte gerade einen Karton aus.
»Hi.«
»Bist du schon fertig mit Auspacken?«, fragte Tamsin freundlich.
»Nein.«
»Langweilig?«
»Ja.«
»Nicht wie Weihnachten im Sommer?«
»Definitiv nicht.«
»Schade.« Tamsin wandte sich wieder den Schachteln zu.
Vom Tisch aus starrten leblose Augen Hannah an. Sie schnappte nach Luft. Diese Bronzebüste hatte sie immer schon gehasst. Sie war so kalt und gar nicht wie Dad. Nicht dass sie ihm nicht ähnlich gesehen hätte, aber sie war aus Metall und nicht aus Fleisch und Blut.
»Die ist toll. Hat Maddie sie gemacht?«, erkundigte sich Tamsin und ließ die Hand über die Büste gleiten.
»Ja.« Hannah nahm eine Scheibe Brot und strich mit heftigen Bewegungen Butter darauf.
»Sie ist super.«
»Wenn Sie meinen.«
»Wer ist das?«
»Mein Dad.«
»Oh.«
Hannah hob den Blick. Tamsin betrachtete die Büste schweigend.
»Ein attraktiver Mann.«
»Ja, war er.« Hannah verließ den Raum mit ihrem Butterbrot. Tamsin hatte freundliche Augen, die einen nicht vorwurfsvoll ansahen.
3
M addie stürzte mit vollen Händen zum Telefon in der Küche. Sie konnte kaum glauben, dass es angeschlossen war, und betete, dass in der Tüte, die sie auf den Tisch geworfen hatte, nicht die Eier lagen; sonst gab’s zum Abendessen Omelett.
»Maddie Hollis.«
Hannah kam mit leeren Händen hereinspaziert, obwohl der Wagen voll mit Einkäufen war. Maddie fragte sich, ob sie es noch erleben würde, dass das egoistische Teenagergen endlich mutierte.
»Hi.« Tamsins freundliche Stimme war Balsam auf Maddies wunde Seele. »Wie wär’s heute Abend mit einem Drink im Pub? Wird Zeit, dass du die Leute aus der Gegend kennenlernst.«
Maddie biss sich auf die Lippe. Sie wäre ja gern gegangen, aber
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