Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
Foto wieder in den Rucksack, weil es ihn nicht zurückbrachte. Jetzt musste sie das Zimmer fertig herrichten und einen Schrank hineinschleifen. Sie wusste nur nicht, wie sie das ohne Maddie anstellen sollte, weil das Ding gute fünfzehn Zentimeter größer war als sie selbst. Sie bezweifelte sogar, dass sie es mit Maddie schaffen würde. Sie würden sich helfen lassen müssen. Scheiße.
»Hannah, ich nehme ein Bad. Sag Bescheid, wenn du was brauchst«, rief Maddie von unten.
Wieso sollte ich was brauchen? , fragte sich Hannah. Das Haus war ganz okay. Wenn sie wollte, konnte sie Maddie darin aus dem Weg gehen. Das in London war kleiner gewesen, und es hatte keine Ausweichmöglichkeiten gegeben, besonders als Dad krank gewesen war. Maddie war da gewesen, wenn sie aufwachte, von der Schule nach Hause kam und wenn sie ins Bett ging. Als würde sie ihr nicht vertrauen. Jetzt hatte Hannah endlich genug Raum, aber leider keine Freunde, kein London und nichts zu tun. So ein guter Tausch war das nicht.
»Nein!« Wieder einmal weckte ihr eigener Schrei Maddie aus einem Albtraum. Ihr Herz raste, Tränen liefen ihr übers Gesicht. Der Schmerz lasse im Lauf der Zeit nach, behaupteten alle. Doch bei ihr wurde er von Nacht zu Nacht schlimmer. Egal, wie oft sie sich sagte, dass sie loslassen musste: Es ging einfach nicht.
Was hatte sie nur verbrochen, um mit Johns Tod bestraft zu werden? Die Logik sagte ihr, dass sie nichts damit zu tun hatte, aber dann kam ihr wieder das in den Sinn, was sie nach seiner Beisetzung gemacht hatte. Sie hatte seinem Wunsch entsprochen, obwohl es allen ihren Prinzipien widersprach. Vielleicht rang sie deshalb jede Nacht damit. Manche Dinge gruben sich so tief ein, dass es lange dauerte, bis sie einen in Ruhe ließen – falls das jemals geschah. Sie schob den Gedanken beiseite.
Es war noch nicht Morgen, jedoch schon hell genug, die Silhouette der Kiefer draußen zu erkennen. Sie schlüpfte in ihren Morgenrock und ging leise die Treppe hinunter. Ein Geräusch. Sie blieb mit stockendem Atem auf der letzten Stufe stehen. Obwohl sich außer ihr und Hannah niemand im Haus aufhielt, hörte sie einen klagenden Laut. Sie schüttelte den Kopf, und das Geräusch verstummte.
Als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm, redete sie sich ein, dass das eine Maus war, die über den Boden des Wohnzimmers huschte. Wenn sie Mäuse hatten, löste eine Falle das Problem, aber wenn es ein Geist war? Sie blinzelte. Sie glaubte nicht an Geister. Trotzdem ging sie mit gespitzten Ohren weiter.
In der Küche schaltete sie das Licht ein und stellte den Kessel auf den Campingkocher, den sie verwendeten, bis der Herd repariert wäre. Eine Tasse Tee würde die nächtlichen Trugbilder verscheuchen. Mark hatte gesagt, in Trevenen spuke es nicht. Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben konnte, aber ihr gesunder Menschenverstand pflichtete ihm bei.
Da hörte sie von oben einen dumpfen Schlag. Vor Schreck verschüttete Maddie fast den Tee über ihren Morgenrock. Nein, sie war nicht abergläubisch. Sie lachte. Bestimmt war etwas von Hannahs Bett auf den Boden gefallen. Hannah war ein Mensch aus Fleisch und Blut, ein Mensch mit einem gebrochenen Herzen, das Maddie nicht zu reparieren verstand, weil sie das nicht einmal bei ihrem eigenen konnte.
Sie ging mit dem Tee ins Wohnzimmer, vergewisserte sich, dass dort keine Nager ihr Unwesen trieben, setzte sich auf einen der Fenstersitze und schlug die Beine unter, um mitzuverfolgen, wie es draußen hell wurde, der Horizont langsam von Lavendel zu Pink wechselte.
Maddie schloss kurz die Augen in der Hoffnung, das trockene Brennen darin loszuwerden, obwohl sie aus Erfahrung wusste, dass nur mehrere ungestörte Nächte es endgültig beseitigen konnten. Sie öffnete die Augen wieder, als sie vom Kamin her ein leises scharrendes Geräusch hörte. Die Wand war mit lackierten Holzpaneelen bedeckt, deren Farbe an manchen Stellen abblätterte. Die Morgenmaus war offenbar in einen Spalt zwischen Wand und Mauer geschlüpft.
Maddie beschloss, sich im Licht der Morgensonne genauer umzusehen. Sie trat an die Stelle, von der das Geräusch ihrer Ansicht nach gekommen war, und presste das Ohr gegen die Wand. Sie war sich sicher, dass sie etwas gehört hatte, doch manchmal hallten Geräusche auf merkwürdige Weise wider. Als sie gegen die Paneele klopfte, stellte sie fest, dass die Fläche darunter nicht glatt war. An manchen Stellen klang es sogar hohl. Dies war früher vermutlich die
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