Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
mit eigenen Augen gesehen. »Das ist nur so eine juristische Formulierung.«
Hannah zuckte mit den Achseln. »Hey, wann kommt endlich der Typ von der Pannenhilfe?«
Maddie warf einen Blick auf ihre Uhr. »In den nächsten zwei Stunden.«
»Einer von der ganz schnellen Truppe, was? Zwei Frauen sitzen auf einer dunklen Straße mit einem unbekannten Mann fest, und die lassen sich Zeit. Na toll. Ich sehe schon die Schlagzeilen nächste Woche, wenn die Leichen von einem Bauern entdeckt werden.«
»Es reicht, Hannah.«
»Was reicht?«
»Dein Melodrama.«
»Danke für das neue Wort.«
Maddie ballte die Hände zu Fäusten und holte tief Luft. »Hannah.« Hannah hatte allein in der Dunkelheit Angst gehabt. Nun, vielleicht bewirkte das, dass sie das nächste Mal nicht mehr so störrisch war und sie begleitete.
»Lass mich in Frieden, Maddie.« Hannah wandte sich von ihnen ab. »Du bist Dads Witwe, nicht mehr und nicht weniger.«
»Ich bin dein Vormund«, widersprach Maddie, der klar war, dass es besser gewesen wäre, den Mund zu halten. Bei Hannah war für eine Veränderung mehr nötig, als einmal auf einer einsamen Landstraße allein gelassen zu werden, das wusste sie.
»Scheißgesetze.« Hannah stieg in den Wagen und knallte die Tür zu.
In der Morgendämmerung waren die Umrisse eines weitläufigen Gebäudes aus Granitstein zu erkennen. Das Haus war groß, viel größer, als Maddie es in Erinnerung hatte, und das Dach erstreckte sich besorgniserregend schief über eine weite Fläche. War das im Frühjahr auch schon so gewesen? Sie schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern. Glockenblumen hatten sich in den früheren Blumenbeeten unter die Bäume geschmiegt. Blau, grau und grün, dazu der Geruch von wildem Knoblauch. Das Dach war ihr nicht aufgefallen. Maddie öffnete die Augen wieder und ließ den Blick über den Gebäudekomplex schweifen.
Es waren so viele Fenster, und sie zählte vier Kamine – mit einem alten Herrenhaus hatte sie nicht gerechnet. Wie hatte sie nur vergessen können, dass es so groß war? Als sie erfuhr, dass sie Erbin eines Hauses in Cornwall war, hatte sie sich etwas Kleines vorgestellt, ein Cottage oder einen Bungalow. Sie schluckte. Was hatte sie sich da aufgehalst? Hier gab es keinen einfachen weißen Lattenzaun, sondern Stabkreuzfenster und zahllose Verpflichtungen. Sie war verrückt, sich so etwas anzutun, aber was blieb ihr anderes übrig? Das Haus in London war mehr wert gewesen als das in diesem abgelegenen Teil Cornwalls. Also hatte sie es verkauft, um die Rechnungen zu bezahlen.
Sie unterdrückte ein Gähnen, stieg aus dem Auto und holte tief Luft. Der Geruch feuchter Erde beruhigte sie. Sie schloss leise die Wagentür. Hannah schlief auf dem Rücksitz, seit klar war, dass das Auto repariert werden konnte, auch wenn das eine Weile dauern würde. Der Mechaniker war leider ein Meister der Untertreibung gewesen.
Ihr neuer Nachbar stieg aus seinem Wagen. Kaum zu glauben, wie hilfsbereit Mark war. Er hatte sie davor bewahrt, sich noch einmal zu verfahren, indem er sie durch die kleinen Straßen zu ihrem neuen Zuhause lotste.
»Morgen«, sagte er.
Maddie, die voller Neid bemerkte, dass ihm die durchwachte Nacht nicht anzusehen war, suchte vergebens nach Ringen unter seinen Augen. Er hatte hohe Wangenknochen und einen vollen Mund. Seine Gesichtszüge waren, jeweils für sich genommen, nicht klassisch schön, aber die Kombination machte ihn ziemlich attraktiv.
»Es ist schon eine ganze Weile Morgen«, stellte sie fest.
»Stimmt, aber die Vögel haben noch nicht gezwitschert.«
Sie hob eine Augenbraue. »So definieren Sie den Morgen?«
»Ja, und dazu eine gute Tasse Kaffee.«
»Bitte erwähnen Sie nichts, was im Moment so gut wie unmöglich ist.« Der Gedanke an einen doppelten Espresso in ihrem früheren Stammcafé trieb ihr fast die Tränen in die Augen, obwohl in dem Zustand nicht einmal Koffein sie richtig wach gemacht hätte.
»Sie könnten noch mal mit zu mir kommen.«
Maddie spielte ernsthaft mit dem Gedanken, sein Angebot anzunehmen, wandte sich dann jedoch dem Haus zu. »Ich bin gespannt auf Trevenen.«
»Es erwartet Sie schon.« Er streckte die Hand in Richtung des alten Gebäudes aus und verbeugte sich grinsend.
Trotz der bleiernen Müdigkeit, die jede Faser ihres Körpers durchzog, versuchte sie sich zu konzentrieren und ließ den Blick über ihr neues Zuhause schweifen. Manche Fenster waren mit Steinverzierungen eingefasst, andere hatten einfache weiße
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