Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
dieses Zimmer hatte ein schönes großes Fenster, war jedoch mit ein paar Aktenschränken, einem Tisch und einem Stuhl nur spärlich möbliert. Maddie betrachtete die Papiere, die auf dem Schreibtisch lagen, ausschließlich alte Rechnungen, um die sie sich nicht kümmern musste. Bald schon würden neue dazukommen.
Sie ging nach oben und sah durch ein rundes Fenster hinaus. Der Raum hier war dem Wohnzimmer darunter nachempfunden, fühlte sich wegen der niedrigeren Decke und des anderen Lichteinfalls jedoch gemütlicher an. Sie erkundete das geräumige Bad über dem Büro und fand keinerlei Hinweis darauf, dass es von Daphne oder irgendjemandem sonst genutzt worden war. Der Schrank war leer, und sie konnte nirgendwo Handtücher oder Toilettenartikel entdecken. Vielleicht war es der alten Frau zu mühsam gewesen, sich um diese Seite des Hauses zu kümmern. Für Maddie hingegen war sie wegen des Morgen- und Abendlichts ideal.
Ein großes Himmelbett beherrschte den Raum. In ihrer Müdigkeit konnte Maddie der Versuchung, sich daraufzulegen, nicht widerstehen. Staub erhob sich von der alten Daunendecke, als die Matratze unter ihrem Gewicht nachgab, und die aufgewirbelten Staubkörner tanzten im Licht. Maddie schloss die Augen lieber nicht, weil sie wusste, dass sie im Schlaf Albträume erwarteten. Kurze Zeit später zwang sie sich, wieder aufzustehen.
»Hannah?«, hörte sie Maddie rufen.
»Hannah?«
Schwang Panik in ihrer Stimme mit? Hannah lächelte. Endlich bröckelte ihre Gelassenheit. Sonst bekam Maddie nicht viel mit, weil sie so in ihre Welt der Farben und Formen vertieft war. Herrgott, sie war nicht mal wegen des Tattoos ausgerastet! Sie hatte das Blau hübsch gefunden, aber nicht gemerkt, dass das Ding bloß aufgeklebt war. Tja, so sehr interessierte sie sich für sie. Maddie hatte nicht geschrien und war nicht ausgeflippt, sondern hatte einfach nur weiter für diesen Scheißumzug nach Cornwall gepackt und geschwärmt, wie dankbar sie war, dass sie das Haus geerbt hatte.
Hannah schlenderte zu ihrer Stiefmutter in der Diele.
»Da bist du ja.« Maddie begrüßte sie mit einem Lächeln. »Hast du dich umgeschaut? Wie findest du’s?«
Hannah zuckte mit den Achseln.
»Ich nehme das Zimmer über dem Wohnzimmer. Du kannst jedes andere haben. Es gibt genug Auswahl. Könnte sein, dass du dir die Möbel aus anderen Räumen zusammensuchen musst, aber du findest bestimmt, was du brauchst.«
Hannah verdrehte die Augen und ging die Treppe hinauf. Maddie versuchte immer, in allem etwas Positives zu sehen. Wann begriff die Frau endlich, dass das Leben scheiße war?
Hannah fiel es schwer, sich für ein Zimmer zu entscheiden. Sie wusste nur, dass sie so weit von Maddie weg sein wollte wie möglich. Der Raum, in dem Hannah jetzt stand, war so breit wie das Gebäude, lag direkt über der Küche und hatte einen hübschen Kamin. Nicht so einen großen, offenen wie unten, sondern einen feineren mit einem weißen Holzsims um ein kleines schwarzes Gitter.
In den meisten Zimmern standen Möbelstücke herum. Maddie hatte gesagt, sie könnte sich aussuchen, was sie wollte, die Möblierung spielte also für ihre Entscheidung keine Rolle. Vielleicht sollte sie einfach das Zimmer nehmen, das am weitesten von dem Maddies entfernt war.
Sie fragte sich, ob man den Kamin benutzen konnte. Das war möglicherweise wichtig, weil Maddie nicht wusste, ob die Zentralheizung funktionierte. Das wollte sie später ausprobieren. Jeder normale Mensch hätte das Haus überprüfen lassen, bevor er einzog, doch Maddie hatte einfach das in London verkauft, weil das angeblich nötig war, um Dads Rechnungen zu zahlen. Aber das war Quatsch. Sie hätte genauso gut dieses Gemäuer verkaufen können. Irgendjemand hätte sich sicher dafür interessiert.
Ein Vogel ließ sich auf dem Fensterbrett nieder.
»Guten Morgen, Frau Elster, du Unglücksvogel.« Hannah biss sich auf die Lippe. War sie nicht zu alt für kindischen Aberglauben? Nein, nicht wenn es um Dinge ging, die ihr Vater ihr lange vor dem Auftauchen ihrer Stiefmutter beigebracht hatte. Hannah trat ans Fenster, um die glänzend schwarzen Federn genauer zu betrachten. Der Vogel legte den Kopf ein wenig schief und flog davon.
Am Fenster stand ein verstaubter kleiner Frisiertisch, dessen Holz ganz ordentlich aussah. Hannah setzte sich. Von hier aus hatte sie einen tollen Blick auf den großen Baum. Durch seine Äste konnte sie auf die Wiese schauen, auf der die Kühe friedlich in der Sonne weideten.
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