Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
1970.«
14
D er kalte Stein der kleinen Mauer drückte gegen Hannahs Rippen. Will hielt ihr mit der Hand die Haare aus dem Gesicht. Der beißende Geschmack von Galle, vermischt mit dem Geruch von Gewürznelken, ließ sie wieder würgen. Hannah wartete noch ein wenig, bis sie sich aufrichtete.
Will reichte ihr ein Taschentuch.
»Danke.« Hannah wischte sich den Mund damit ab. Dabei verschmierte sie ihre Wimperntusche. Sie sah sicher toll aus.
»Kannst du gehen?«, fragte Will.
»Ich glaub schon.«
»Wir könnten Maddie anrufen und sie bitten, uns abzuholen.«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen? Lieber sterbe ich.«
Achselzuckend schlang Will seine Jacke enger um den Körper. »Wie du meinst.«
»Ja.« Hannah versuchte aufrecht zu gehen. Er hakte sie bei sich unter. Besser.
Der Himmel war klar, es würde Frost geben. In der Ferne flackerten die Lichter eines Farmhauses. Wenn ihr nicht so übel gewesen wäre, hätte alles verdammt romantisch sein können. Vielleicht musste sie noch mal kotzen. Was für ein Weihnachten!
»Könnten wir ein bisschen schneller gehen? Ich muss nach Hause.«
Hannah löste sich von ihm. »Sorry.«
»Nein, ich will schon mit dir zusammen sein, aber es ist nach Mitternacht, und Mum erwartet mich daheim. Wenn ich zu spät komme, kriege ich Ärger.«
»Okay.« Hannah senkte den Blick.
»Herrgott, Hannah. Du warst doch so versessen drauf, dir heute Abend die Kante zu geben.« Er zog sie mit.
»Danke, dass du mich dran erinnerst.«
»Es ist nicht mehr weit. Ich kann Trevenen schon erkennen.«
»Gut.« Hannah erkannte die dunkle Silhouette des Gebäudes. In Maddies Zimmer und in der Küche brannte Licht. Durch das Wohnzimmerfenster schimmerten die Lichter des Christbaums. Auf den ersten Blick wirkte alles so perfekt, aber es war eine verdammte Lüge. Dad war tot, Maddie hasste sie, und Will mochte sie nicht mehr, weil sie ein verdammter Idiot war. Fröhliche Weihnachten!
»Du zitterst.« Will legte den Arm um sie.
»Ja. Macht nichts.« Hannah klapperte mit den Zähnen.
»Frohe Weihnachten, Hannah«, sagte Will, als sie Trevenen erreichten, küsste sie auf die Stirn und schob sie zur Tür hinein. Von der Auffahrt aus winkte er ihr noch einmal zu.
In der Küche füllte Hannah ein Glas mit Wasser und setzte sich in den Sessel beim Herd, um sich zu wärmen. Obwohl sie einen Bärenhunger hatte, beschloss sie, mit dem Essen bis zum Morgen zu warten. Ihr Magen brauchte Zeit zum Erholen. Sie ging ins eisig kalte Wohnzimmer, um die Lichter am Weihnachtsbaum auszuschalten. Als ihr Blick auf die Geschenke darunter fiel, musste sie lachen. Wem wollte Maddie etwas vormachen?
Da entdeckte sie den vollen Strumpf am Kamin. Der Weihnachtsmann war zu der unartigen Hannah gekommen. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und rannte in ihr Zimmer, wo sie sich aufs Bett warf.
Hannahs Kopf dröhnte. Sie brauchte Wasser und eine Kopfschmerztablette. Die vergangene Nacht lag im Nebel. Wie hatte Maddie Mark vor allen Leuten küssen können? Das war peinlich und einfach krass. Jetzt zeigte Maddie ihr wahres Gesicht. Zwei Männer in ein und derselben Woche. Loyalität schien ein Fremdwort für sie zu sein.
Hannah musste dringend aufs Klo, also konnte sie auch runtergehen. Es war der erste Weihnachtstag, und da unten warteten die Geschenke und der Strumpf. Sie mussten alle für sie sein, weil sie nichts für Maddie besorgt hatte. Kurz meldete sich das schlechte Gewissen, aber das schob sie beiseite.
Als Hannah in die Küche tappte, saß Maddie bereits mit einer Tasse Tee am Herd und las.
»Frohe Weihnachten.« Maddie wirkte ausgeruht und hatte zum ersten Mal rote Wangen.
»Ja, was auch immer.«
»Möchtest du zuerst frühstücken oder zuerst die Geschenke auspacken?«
»Egal. Hab keine große Lust auf Frühstück. Toast reicht.«
»Gut.« Maddie schloss das Buch und erhob sich von ihrem Stuhl. Neben ihr kam Hannah sich sehr klein vor. Ihr Dad war groß gewesen, ihre Mum offenbar nicht. Verdammt, jetzt dachte sie schon wieder an ihre Mum. Ob sie Maddie fragen sollte, wie man sie aufspüren könnte? Jetzt war vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt für so was.
Sie überlegte, was gewesen wäre, wenn Maddie und Dad Kinder gehabt hätten. Wären sie Riesen geworden wie Maddie? Zum Glück war das nicht passiert.
Hannah gab Wasser in ihren Tee, weil sie ihn zu stark fand. Sie wartete auf eine Bemerkung Maddies darüber, wie betrunken sie gewesen war, doch Maddie steckte das Brot
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