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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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gelegene bendjle , auf der mein Vater nachdenklich und gesenkten Hauptes stundenlang auf und ab zu gehen pflegte … Seit dem Tod meiner Mutter hatte ich nur selten eine meiner Plantagen besucht, umso mehr gefiel mir nun die Stille auf dem Land nach dem ruhelosen Treiben in der Stadt …
    Bald verfasste Emily weitere Aufzeichnungen, in denen sie festhielt, was sie seit ihrer Ankunft in Hamburg erlebt hatte. Was im vorletzten Jahr geschehen war und was im letzten. Kleine und große Begebenheiten, Kümmernisse und glückliche Momente. Sie schrieb sie als Briefe an eine Freundin auf Sansibar.
    Wie oft hast Du mich gebeten, teure Freundin, ich sollte Dir doch ausführlich von meinen Erlebnissen im Norden berichten …
    Briefe, die mehr und mehr die Gestalt einer Erzählung annahmen. Einmal stellte sie sich Metle als Empfängerin vor, einmal Zamzam, einmal Chole, die in jenem Jahr verstorben war, in dem Emily nach London reiste; vergiftet, wie man munkelte.
    … wenn ich dies bislang nicht zu Deiner vollkommenen Zufriedenheit getan habe, so lag dies allein daran, dass ich mich davor fürchtete, das Erlebte im Geiste noch einmal in allen Einzelheiten durchzumachen …
    Es war eine Erleichterung, sich einer anderen Seele anzuvertrauen, auch wenn es nur eine Seele war, die sie sich vorstellte.
    In Briefen, die sie nie abschickte.In Rudolstadt war es auch, dass ein fescher Adliger der Witwe Ruete mit allem gebotenen Anstand den Hof machte. Eine gute Partie, wie man so schön sagte, doch Emily schlug seinen Antrag aus. Nach Heinrich würde kein Mann mehr ihr Herz erobern können, das hatte sie schon vor einiger Zeit begriffen. Sie wollte kein Geld heiraten, sie wollte ihr eigenes Geld, das Geld, das Barghash ihr vorenthielt. Emily hatte keinen Zweifel daran, dass es ihr rechtmäßig zustand, und in diesen Gedanken verbiss sie sich mehr und mehr, wie ein Tiger in seine Beute. Sie merkte nicht, wie sich die ersten verkniffenen Linien in ihrem Gesicht abzeichneten und dass sie mit ihrem Eifer manchmal über das Ziel hinausschoss.
    Denn wenn sie erbberechtigt war, hatte sie dann nicht auch das Recht, nach Sansibar zurückzukehren? Für immer?
    Ein Gedanke, der zu verführerisch war, um ihm nicht zu verfallen. Um nicht davon besessen zu sein.
    Der Korb, den sie ihrem Verehrer gab, das gewiss gut gemeinte Drängen der Baronin von Tettau, sie solle doch mehr unter Leute gehen, sie könne sich doch nicht nur zu Hause vergraben, das tue ihr nicht gut, bewogen Emily schließlich, aus Rudolstadt fortzugehen. Ein Muster ihres Lebens, das sich in diesen Jahren herauszubilden begann. Wenn es ihr irgendwo zu eng wurde, wenn sie sich bedrängt fühlte, packte sie ihre Koffer, nahm ihre Kinder bei der Hand und floh. In eine neue Stadt, in eine neue Wohnung, in der Hoffnung, das neu aufgeschlagene Kapitel ihres Lebensbuchs möge ihr endlich Glück bringen.
    Emily wurde eine Getriebene, rastlos, ruhelos. Auf der Suche nach einem Ort, an dem sie wieder Wurzeln schlagen könnte. Der ihr Heimat sein könnte.
    Berlin hieß dieses Mal ihr Ziel. Wenn es irgendwo die Möglichkeit gab, den Lebensunterhalt für die Kinder und sich zu verdienen – dann doch in der Großstadt Berlin.
    In Berlin wäre sie vor allem den Menschen am nächsten, deren Macht weit über Deutschland hinausreichte. Eine Macht, die Emily für sich zu gewinnen suchte.
    Damit sie ihr zu ihrem Recht verhelfe.
53
    Berlin, 1883

    Es war eine aufregende Zeit, die Deutschland in diesen Jahren erlebte. Der Fortschritt marschierte in Siebenmeilenstiefeln voran, bereitete den Boden für elektrisches Licht, für das Telephon und für den Phonographen. Die Krinoline verschwand, die Röcke wurden schmaler und auch ein kleines bisschen kürzer. Mit der Gründung des Reiches waren die Zollschranken zwischen den einzelnen Staaten gefallen, und der Handel innerhalb der Reichsgrenzen blühte. Der gewonnene Krieg gegen Frankreich hatte die Menschen des Landes in Hochstimmung versetzt, und sie investierten in neue Wirtschaftszweige und Geschäftsgründungen. Über Nacht zu Reichtum zu kommen schien kein bloßer Traum mehr zu sein, sondern eine ganz greifbare Möglichkeit.
    Der Höhenflug hielt indes nicht lange an. Deutschland geriet in eine Krise, die auch Emily zu spüren bekam: Die Schüler, denen sie Arabisch in Wort und Schrift beibrachte, wurden weniger, und sie musste viel Zeit und Kraft aufwenden, um von denen, die ihr geblieben waren, das fällige Honorar einzutreiben.
    Mehr denn je hoffte

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