Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
sagte Rosa nun und legte tröstend den Arm um ihre Mutter, die ihr ein dankbares Lächeln schenkte.
Dieses Mal gab es keinen großen Empfang für Bibi Salmé , und Emily wollte auch keinen. Sie warteten an Bord des Schiffes, bis es dunkel war, um möglichst ungesehen ihr Quartier im Gästetrakt des deutschen Hospitals zu beziehen.
Wo Emily sich einmal mehr daranmachte, Briefe zu schreiben, mit denen sie ihr Recht einforderte. Briefe an ihren Bruder, Sultan Khalifa, und an den deutschen Generalkonsul Michahelles, Briefe, die unbeantwortet blieben oder abschlägig beschieden wurden.
Die Saat der Bitterkeit, die Hamburg in ihr angelegt hatte und die die mächtigen Herren in Berlin, London und im Palast zu Sansibar über Jahre hinweg hatten aufkeimen lassen, würde im üppig-heißen Klima der Tropeninsel ins Kraut zu schießen beginnen und schon bald giftige Blüten treiben.
65
Sansibar, Ende Juni 1888
»… warum kann sie es nicht auf sich beruhen lassen? Sie rückt nicht nur sich, sondern uns Deutsche allesamt in ein schlechtes Licht …«
»… Habgier vermutlich. Haben Sie ihr Buch gelesen? Absurd! Als könnte eine Ausländerin ohne entsprechende Schulbildung etwas von unserer Politik in Ostafrika verstehen!«
»Konsul Michahelles hat schon recht gehandelt, sie wieder wegzuschicken. Die deutschen Interessen bezüglich der Küstengebiete zählen gewiss mehr als …«
»… macht uns unmöglich. Am Ende werden alle Europäer noch der Insel verwiesen – ihretwegen!«
Das Stimmengewirr im Speiseraum des deutschen Hospitals brach ab, als Emily und Rosa eintraten. Einen Augenblick lang war es vollkommen still, bevor alle Augenpaare sich wieder auf die Mahlzeit senkten. Ehe wieder das leise Klirren von Silberbesteck gegen Porzellan ertönte und die Gespräche wiederaufgenommen wurden. Leiser diesmal und von unverfänglicherem Inhalt.
Ein Seitenblick auf ihre Mutter genügte, und Rosa wusste, dass dieser kein einziges der gehässigen Worte entgangen war,ehe ihr Erscheinen einen unvermittelten Themenwechsel zur Folge gehabt hatte. Sie sah es an der Art, wie ein Ruck durch Emily hindurchging, als diese sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete. Wie sie ihr Kinn mit der Andeutung eines Grübchens vorschob und verächtlich die Mundwinkel nach unten zog, und es tat Rosa in der Seele weh.
Ohne ein Wort, mit einem stummen, knappen Kopfnicken ließ Emily sich an der Gästetafel nieder, und Rosa murmelte einen kurzen Gruß, als sie es ihr gleichtat.
Für ihr Buch hatte Emily Ruete nicht nur Lob eingeheimst, sondern sich auch Feinde gemacht. Dass es pikant geschrieben sei, war noch eine der harmlosesten Bemerkungen. Es waren nicht allein Passagen über die Herrschaft von Sultan Barghash, zu dem man gute Kontakte pflegte, die Unmut hervorgerufen hatten, sondern auch Emilys Sicht auf die deutschen Kolonialbestrebungen und ihre kaum verhohlene Kritik an dem Verhalten sowohl der britischen als auch der deutschen Regierung ihr gegenüber. Dass sich in diesem Buch nicht nur ein Kapitel über die Sklaverei auf Sansibar fand, das mitnichten eine flammende Streitschrift gegen diese Praxis darstellte, sondern auch eines, in dem sie der in Europa vorherrschenden Meinung widersprach und betonte, die Frauen des Orients besäßen sehr wohl gewisse Rechte und – zumindest was das Eigentum betraf – sogar mehr als manche ihrer europäischen Schwestern, machte es nicht besser. Dass Emily auf Anraten ihres Verlegers für die weiteren Auflagen zwar manches davon gestrichen, vieles aber starrsinnig beibehalten hatte, wurde ihr ebenfalls angekreidet.
Aus dem bedauernswerten Opfer einer unmenschlichen fremden Gesellschaftsordnung, das Glück gehabt hatte, nach Deutschland kommen zu dürfen, war aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit ein zänkisches, engstirniges Weib geworden, das offenbar nicht zu schätzen wusste, wie gut sie es hatte.
Doch noch nie hatte Emily die Ablehnung ihrer Person so deutlich zu spüren bekommen wie hier, in der deutschen Gemeinschaft auf Sansibar.
Es war beim Hauptgang, als zwei aus Hamburg stammende Damen ein paar flüsternde Worte wechselten, während eine andere sich in einem Vortrag an die gesamte Tischrunde erging, wie unverschämt hoch doch die Preise auf Sansibar seien, schließlich könnten die Einheimischen froh sein, wenn sie als Deutsche Geld in deren Kassen brächten, dass ihr der Geduldsfaden riss. Es klirrte, als sie Messer und Gabel auf den Teller fallen ließ, und alle Augen richteten sich
Weitere Kostenlose Bücher