Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
orientalischen Sprachen waren wie Rigby. Außer vielleicht Richard Francis Burton, der einmal Soldat in Indien gewesen war und der nun sowohl mit seinem exzentrischen, unmoralischen Lebenswandel als auch mit seinen Forschungsreisen ins Innere Afrikas und mit den Berichten, die er darüber schrieb, Furore machte. Doch wenn Rigby an Burton dachte, bekam er sofort schlechte Laune. In Indien waren sie einander schon nicht wohlgesinnt gewesen. Mehrmals hatte Burton Rigby in den Sprachprüfungen der Armee auf den undankbaren zweiten Platz verwiesen, und Burtons Hang zu vertrautem Umgang mit Eingeborenen war Rigbys Auffassung nach mehr als geschmacklos. Mit seinen polternden Beschwerden über mangelnde Unterstützung seiner jüngsten Expedition zu den großen Seen im Inneren Afrikas hatte Burton es sich mit Rigby mittlerweile vollkommen verscherzt; dabei waren diese in die Interimszeit zwischen Hamerton und Rigby gefallen, und somit war ein solches Versäumnis nicht ihm, Rigby, anzulasten gewesen.
Ganz Diplomat, schwenkte Rigby deshalb rasch auf oberflächliche Plaudereien um. Wie etwa über das Wetter – das auf Sansibar entweder nur sonnig heiß oder verregnet war. Und über die Jagd und über die Geschäfte kam Rigby dann auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zu sprechen.
»Mich erreichte heute die Nachricht, dass unsere Flotte vor dem Hafen von Muscat die Kriegsschiffe Eures Bruders, Hoheit Thuwaini, vom Auslaufen gen Sansibar abhalten konnte. Die geplante Invasion ist vorerst abgewendet, Hoheit. Ihr könnt daher Eure Truppen «, unwillkürlich schlich sich ein verächtlicher Unterton ein, als Rigby an den eilig zusammengewürfelten Haufen dachte, der sowohl aus den regulären Söldnern aus Belutschistan wie auch aus afrikanischen Stammesangehörigen bestand, von denen viele noch mit Pfeil und Bogen ausgestattet waren, »beruhigt wieder von der Inselküste abziehen lassen.«
»Mein Dank sowie der meiner Untertanen ist Euch und Eurer Armee gewiss«, erwiderte Sayyid Majid.
Wie einst schon sein Vater setzte Majid auf den Schutz durch die Engländer. Zwischen Hamertons Tod und Rigbys Amtsantritt hatte er zwar einige Gespräche mit Abgesandten Frankreichs geführt; die Engländer mit ihrer militärischen Übermacht schienen ihm jedoch eindeutig die besseren Verbündeten zur Festigung seiner Herrschaft zu sein.
Rigby nippte an seinem Tee. »Wir erkennen Euren Anspruch auf den Thron zweifellos an, Hoheit. Doch müssen wir auch den Anspruch Eures Bruders im Oman achten. So hat es Seine Hoheit Sayyid Sa’id in einem Schreiben an den seligen Major Hamerton verfügt. Tatkräftige Hilfe bei dem Vorhaben, Euch des Sultanats von Muscat und Oman zu bemächtigen, könnt Ihr von England nicht erwarten.«
Vor allem aber hatten die Briten seit der Stationierung eigener Truppen in Aden, im Südwesten der Arabischen Halbinsel, kein Interesse mehr am Oman. Mit Aden verfügten sie nun über einen eigenen Stützpunkt, der den Seeweg nach Indien sicherte. Außerdem war im Oman auch finanziell nichts zu holen. Durch Sultan Sayyid Sa’ids Entscheidung, vor gut zwanzig Jahren den Mittelpunkt seines Reiches vom Omannach Sansibar zu verlegen, waren die Karten neu gemischt worden. Sansibar war das östliche Tor nach Afrika, und wo bislang der Handel im Vordergrund gestanden hatte, zeichneten sich mehr und mehr neue Interessen ab: die Erforschung eines noch geheimnisvollen Kontinents, vielleicht die Eroberung neuer Gebiete für die britische Krone und die verdienstvolle Zivilisierung und Christianisierung der Eingeborenen. Und wie Livingstone, wie Burton und Speke es mit ihren Expeditionen vorgemacht hatten, war Sansibar der Schlüssel zum Schwarzen Kontinent. Nicht Frankreich, der ewige Erzrivale, und auch nicht die abtrünnigen Kolonien Englands – mittlerweile die Vereinigten Staaten von Amerika – sollten diesen Schlüssel in Händen halten. Vor allem nicht Amerika, in dessen Südstaaten Millionen von Sklaven unter menschenunwürdigen Bedingungen auf den Baumwollfeldern schufteten.
Was Rigby zum nächsten Punkt brachte – der wichtigste auf seiner ganz persönlichen Agenda.
»Wie Ihr gewiss nachvollziehen könnt, wünschen wir uns ein Entgegenkommen Eurerseits, Hoheit. Noch immer werden trotz der vertraglichen Vereinbarungen zwischen unseren beiden Ländern Tausende von Sklaven aus dem Inneren Afrikas über Sansibar nach Arabien und Persien gehandelt.« Seine Mundwinkel verzogen sich voller Abscheu über diese unsägliche
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