Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Plauderton. »Man könnte fast meinen, die Regenzeit bricht an. Solange die Sonne vom Himmel brennt, sehnt man sich nach Regen, und wenn's dann endlich so weit ist, wünscht man sich die Sonne. Der Mensch ist ziemlich schwer zufriedenzustellen.«
Ricarda antwortete nicht, wenngleich sie ihm insgeheim Recht gab.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Emmerson, als er die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
»Mr Manzoni ist in der Stadt niedergeschossen worden. Wie er selbst sagt, von Mr Borden.«
Emmerson zog die Augenbrauen hoch. »Eine Schießerei in der Stadt?«
»Außerhalb Taurangas, vor dem Bessett-Anwesen. Schon vor ein paar Tagen.«
»Und das melden Sie erst jetzt?«
»Ich wusste vorher nicht, wie sich alles abgespielt hat. Mr Manzoni war lange bewusstlos. Erst als er wieder zu sich gekommen war, konnte er mir mitteilen, dass Borden ihn niedergeschossen hat.«
»Ist Mr Manzoni vernehmungsfähig?«, fragte Emmerson und sprang vom Stuhl auf.
»Als seine behandelnde Ärztin würde ich sagen, ja. Allerdings sollten Sie ihn nicht überanstrengen.«
»Ich verspreche, das werde ich nicht. Ich gebe meinen Männern nur Bescheid, dass sie Mr Borden unter Arrest stellen sollen, dann werde ich Mr Manzoni aufsuchen.«
Borden hatte das Gefühl, als habe der flammende Blick der Reiterin ihn durchbohrt. Kein Zweifel, es war Ricarda Bensdorf. Was wollte sie hier? Dem Totengräber Bescheid sagen, dass er Manzoni holen sollte?
Borden war zu Ohren gekommen, was sie sich gegenüber Doherty herausgenommen hatte. Abgesehen davon, dass sie damit vielleicht das Todesurteil des Italieners unterschrieben hatte, hatte sie sich gewiss in der gesamten Stadt unmöglich gemacht. Allerdings hätte Borden erwartet, dass Manzoni noch in derselben Nacht sterben würde. Der Schuss hatte gut gesessen, davon war er überzeugt.
Doch nun überfiel ihn die Unsicherheit. Er erinnerte sich gut an den Blick, den Manzoni ihm zugeworfen hatte, bevor er gegen den Pferdehals sank. Ob er sich an mich erinnert hat, falls er tatsächlich noch lebt?
Bordens Handflächen wurden schweißnass. Der Funke der Erkenntnis, dass es besser gewesen wäre, Ricarda Bensdorf in Frieden zu lassen, kam ihm allerdings zu spät.
Schritte polterten die Treppe hinauf.
Es ist sicher nur eines meiner Mädchen mit einem Freier. Oder der Barmann.
Doch die Schritte kamen näher, direkt auf seine Tür zu. Dann klopfte es.
»Mr Borden?«, fragte eine Stimme.
Borden wandte sich um, und sein Blick brannte sich förmlich in die Tür. »Wer ist da?«
»Die Polizei!«
13
Die Abendbrise streifte mild über den Mount Maunganui und ließ die Bäume, die seine Oberfläche wie ein Teppich bedeckten, verheißungsvoll rauschen. Das Meer brandete gegen die Felsen, und einige Sturmtaucher, die auf dem Berg nisteten, flogen kreischend über den bewachsenen Vulkankrater.
Während der Tag in einem letzten roten Glühen am Horizont verging, leuchtete am Himmel ein Stern nach dem anderen auf. Mit zunehmender Dunkelheit gewann ihr Licht an Kraft, und schon bald schien es, als hätte rangi einen diamantbesetzten Mantel angezogen, um seiner geliebten papa zu gefallen.
»Wie mögen die Sterne wohl vom Mount Maunganui aus aussehen?«, hatte Ricarda Jack einmal gefragt, als sie ihn an seinem Krankenlager besucht hatte. Und er hatte ihr mit einem vielsagenden Lächeln geantwortet: »Schauen wir sie uns doch an!«
Aufgrund seiner Verletzung war er allerdings nicht imstande gewesen, dieses Vorhaben gleich in die Tat umzusetzen. Seine Genesung war zwar gut vorangeschritten, aber es hatte drei Wochen gedauert, bis die Wunde verheilt und er wieder ganz der Alte war.
Doch nun hatten sie es endlich geschafft. Seite an Seite standen sie auf einem kleinen Plateau nahe des Gipfels, umgeben vom Meeresrauschen, das wie das Wispern tausender Stimmen klang. Der Duft der Bäume und Blumen mischte sich mit den Aromen des Meeres, und über ihnen leuchtete die Milchstraße, während sich am Horizont ein sattgelber Vollmond aus dem Dunst schob. Kein Maler hätte dieses Bild vollkommener gestalten können.
»Nun, wie gefallen dir die Sterne hier oben?«, fragte Jack, während er seinen Arm beschützend um ihre Schulter legte.
Ricarda, die sich in diesem Augenblick wie im Paradies fühlte, schmiegte sich lächelnd an ihn. »Sie sind wunderschön! Ich wünschte, wir hätten hier oben eine kleine Hütte, in die wir uns hin und wieder zurückziehen könnten.«
»Eine Hütte brauchen wir dazu nicht«,
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