Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
ist, werde ich zu Moana gehen und mir ein paar von ihren Kräutern holen.«
Es gab zwar auch chemische Mittel gegen die Läuse, doch die hatten den Nachteil, dass die Wolle nach der Anwendung Verfärbungen zeigte. Das minderte den Preis, und da Jack keiner der Schaf-Barone der Insel war, brauchte er jedes Pfund, das er bekommen konnte. Also würde er es wieder mit dem Heilmittel der Maori versuchen.
Tom Kerrigan war einer der wenigen, die an die Heilkunst der Maori glaubten und sie nicht als Hokuspokus abtaten. Er hatte Manzoni kurz nach seiner Einstellung auf der Farm erzählt, dass die Medizinmänner der Indianer ähnliche Heilmethoden hätten und dass er mal von einem von ihnen gerettet worden sei, als die weißen Ärzte ihn bereits aufgegeben hatten.
»Okay, Boss, wird erledigt. Langweilen Sie sich nur nicht tot bei der Versammlung!«
»Keine Sorge!« Manzoni grinste und blickte seinem Vormann nach, der in Richtung Weide verschwand. Kerrigan war ein Gewinn für seine Farm, und er durfte auf keinen Fall zulassen, dass der Texaner von einem anderen Farmer abgeworben wurde. Eher würde er sein letztes Hemd versetzen, als seinen Vormann ziehen zu lassen.
Jacks Blick schweifte über die mächtigen Kauribäume, die das Anwesen umstanden. Es war schon lange kein Regen mehr gefallen. Wenn das Holz nass wurde, platzte die Rinde an einigen Stellen auf und das Harz verströmte einen betörenden Duft, den es so nirgendwo sonst auf der Welt gab. Nur hier in dem Land, das die Maori Aotearoa, das Land der langen weißen Wolke, nannten.
Die Kauri-Bäume waren die Wächter seiner Farm. Zwei von ihnen, deren Kronen miteinander verwachsen waren, bildeten das natürliche Tor zu seinem Anwesen. Sein Vater hatte die Riesen bereits vorgefunden, als er sich hier angesiedelt hatte, und sofern kein Blitzschlag sie traf, würden sie auch Jack überleben. Vielleicht sogar seine Nachkommen, wenn er denn jemals welche haben würde ...
Das ungeduldige Wiehern der Pferde, die sein Stallbursche bereits eingeschirrt hatte, riss ihn aus seinen Betrachtungen. Die beiden Braunen blickten sich nach ihrem Herrn um, als wollten sie ihn auffordern, endlich auf den Wagen zu steigen.
Eigentlich hätte Jack auch nach Tauranga reiten können, aber da er einige Dinge besorgen wollte, war die Kutsche bequemer. Er kletterte auf den Bock, griff nach den Zügeln und ließ die Peitsche über den Köpfen der Pferde knallen. Geschickt wendete er den Wagen und lenkte ihn durch das Baumtor.
Der Weg in die Stadt führte an seinen Weiden vorbei, die sich wie ein grünes Plaid über sanften Hügeln ausbreiteten. Sein Vater hatte dieses Land zu dem geformt, was es heute war. Zufrieden blickte Jack zu seinen Schafen, die aus der Ferne wie weiße Wölkchen an einem grünen Himmel wirkten. Der Gedanke an die Schafläuse trübte seine Freude zwar ein wenig, aber das Leben war nun einmal voller Herausforderungen. Sich den Parasiten zu stellen würde nicht so unangenehm sein wie das, was ihn heute wieder in der Stadt erwartete. Doch Jack fürchtete auch das nicht; er trieb seine Pferde an, denn er wollte nicht erst ankommen, wenn die Versammlung bereits begonnen hatte.
Froh darüber, der engen Kabine endlich entfliehen zu können, stand Ricarda an der Reling und wartete darauf, dass die Landungsbrücke am hölzernen Steg festgemacht wurde. Ihren Mantel hatte sie über den Koffer gehängt, hier würde sie ihn wohl für eine ganze Weile nicht mehr brauchen. Sollte die Sonne es schaffen, die lockere Wolkendecke gänzlich aufzureißen, würde selbst ihr Kostüm noch zu warm sein.
Der Anblick von Tauranga hatte Ricarda vom ersten Moment an in ihren Bann gezogen. Soweit sie es aus der Ferne erkennen konnte, unterschied sich die Architektur vollkommen von der in Deutschland und der Schweiz. Hinter der Stadt erhob sich eine Landschaft, die sie an einen Dschungel erinnerte.
Zwischen Laubbäumen, die denen ihrer Heimat doch ein wenig ähnelten, stach hier und da eine Palme in den Himmel. Auf ihrer Fahrt in Richtung Hafen waren sie direkt an der Landzunge und dem Mount Maunganui vorbeigekommen. Ricarda war überwältigt gewesen von dem Koloss, der bereits aus der Ferne beeindruckend gewirkt hatte. Die Luft war erfüllt von einem fremdartigen Geruch. Ricarda bildete sich ein, dass es der Geruch von Waltran war, der sogar den Geruch des Brackwassers übertünchte.
Im Hafen herrschte ein reges Treiben; offenbar wurden manche Reisende bereits erwartet. Koffer- und
Weitere Kostenlose Bücher