Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
wie in einem Luxushotel können Sie hier nicht erwarten, ich vergleiche meine Zimmer eher mit Studentenunterkünften«, erklärte Molly.
»Oh, damit habe ich kein Problem.« Ricarda versagte sich den Zusatz, dass sie studiert habe und genau wisse, was gemeint sei, denn ein brauner Hund mit kurzem Fell und großen Ohren baute sich vor ihr auf, kläffte und wedelte mit dem Schwanz.
»Rufus, aus! Du wirst doch wohl nicht unseren neuen Gast verbellen?«
Ricarda blickte ihn skeptisch an und hoffte, dass der kleine Köter nicht unter ihren Rock schlüpfen und sie in den Knöchel beißen würde. Er wirkte nicht tollwütig, aber aus Erfahrung wusste sie, dass Hundebisse schwere Entzündungen hervorrufen konnten.
»Er tut nichts«, beschwichtigte Molly, die ihre Befürchtungen erraten hatte. »Er ist nur im ersten Moment ein bisschen misstrauisch gegenüber Fremden. Aber daran, dass er mit dem Schwanz wedelt, erkennt man, dass er Ihnen nicht feindlich gesinnt ist.«
Noch immer kläffend, folgte Rufus den beiden bis zu einer der Zimmertüren. Dort verstummte er und setzte sich vor die gegenüberliegende Tür.
»Sehen Sie, er hat sich schon an Sie gewöhnt«, bemerkte Molly und schloss die Tür auf.
Das Zimmer lag unter der Dachschräge, sodass Ricarda vom Fenster aus die gesamte Straße überblicken und in der Ferne auch den Mount Maunganui sehen konnte. Die Möblierung war einfach: eine Kommode, ein Waschtisch mit Wasserkrug und Schüssel, ein Kleiderschrank, ein Bett und ein Schreibtisch mit Stuhl. Eine verblasste Rosentapete zierte die Wände, die Ricarda schon deshalb gefiel, weil ihre Mutter sie als »Kitsch« bezeichnet hätte.
Da dem Raum jede persönliche Note fehlte, bedauerte Ricarda ein wenig, dass sie nichts mitgenommen hatte, was ihn hätte wohnlicher machen können. Aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie bald ein eigenes Haus haben würde, das sie ganz nach ihrem Geschmack gestalten könnte. Bis dahin würde sie Bilder zeichnen oder kaufen und sie an die Wand hängen. Alles in allem war dieses Zimmer noch wesentlich besser als ihre Studentenbude in Zürich.
3
Im Hotel Tauranga, das über ein Pub verfügte, war nicht viel los. Die Lunchzeit war vorbei, die Teestunde noch nicht gekommen. Die meisten Gäste hielten ein Nickerchen oder waren ausgegangen. Die Unternehmer hingegen schätzten diese Zeit, denn sie konnten sich nun ungestört über wichtige Belange unterhalten.
Als Jack Manzoni das Lokal betrat, waren schon etliche Farmer aus der Umgebung anwesend. Sie hatten es sich an ihrem Stammplatz, dem einzigen langen Tisch, gemütlich gemacht.
Manzoni bemerkte als Ersten Peter Dorhagen, einen Deutschen, der sich vor einigen Jahren mit seiner Familie in Tauranga niedergelassen hatte und mit Ackerbau zu Wohlstand gelangt war. Dann sah er Will Stanton, Eric Pryce und Nigel Corman. Ihre Farmen waren kleiner als seine, aber mit ihnen verstand Manzoni sich am besten.
Ein paar Mitglieder ihres Vereins fehlten noch. Ingram Bessett, auf den er gern verzichtet hätte, war jedoch pünktlich erschienen.
Jack hatte den beleibten Spross einer englischen Adelsfamilie, der als Schafzüchter einer seiner schärfsten Konkurrenten war, noch nie gemocht. Bessett besaß eine Villa am Stadtrand und sehr viele Morgen Weideland. Er war für sein hitziges Temperament berüchtigt und ging einem Mann bei Meinungsverschiedenheiten auch schon einmal an den Kragen. Auch Jack hatte Bessetts Fäuste schon zu spüren bekommen. Da er sich gewehrt hatte, war die Auseinandersetzung in eine handfeste Schlägerei ausgeartet, was ihre gegenseitige Abneigung nur noch vertieft hatte.
Nach einem Gruß in die Runde nahm Jack neben Pryce Platz.
»Na, Jack, alter Junge«, grüßte der und klopfte ihm auf den Rücken, »gibt es was Neues auf deiner Farm?«
Manzoni schüttelte den Kopf. In Bessetts Gegenwart würde er ganz bestimmt nichts über die Entdeckung seines Vormanns berichten. Der Engländer würde ihm einen Strick daraus drehen und ihn bei den Abnehmern seiner Wolle anschwärzen.
»Nein, alles beim Alten. Abgesehen von den neuen Lämmern. In diesem Jahr vermehren sich die Merinos wie die Karnickel.« Während er sprach, behielt Jack Bessett aus dem Augenwinkel heraus im Blick und bemerkte, dass der neugierig die Ohren spitzte. »Ich denke, wir werden in diesem Jahr die beste Schur seit langem haben.«
Das war nicht gelogen, vorausgesetzt, sie lösten das Läuseproblem.
»Gratuliere. Ich wünschte, bei uns würde es
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