Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
einer Tür mit einem Messingschild, auf dem »Dr. Preston Doherty« eingraviert war.
Die Einrichtung des Untersuchungszimmers war durchschnittlich, wenn nicht gar bescheiden. Jack Manzoni legte die Verletzte auf einer Liege ab. Bevor Ricarda ihm danken konnte, hatte er sich bereits diskret zurückgezogen. Die Krankenschwestern standen wie angewurzelt an der Tür. Ihren Mienen nach zu urteilen, konnte jeden Augenblick die Decke des Raumes auf Ricarda niederfallen.
Sie beugte sich über Emma und horchte ihre Lunge ab. Das leichte Rasseln, das sie vernahm, deutete darauf hin, dass das Organ gequetscht wurde. »Mindestens zwei gebrochene Rippen«, murmelte sie, nachdem sie den Brustkorb abgeklopft hatte. Noch deutete nichts auf einen Pneumothorax hin, aber zur Vermeidung des Lungenkollapses brauchte die Patientin strengste Bettruhe.
Nun war der Bauchraum an der Reihe. Ricarda tastete ihn mit geübten Fingern ab und wünschte sich insgeheim, es gäbe eine Möglichkeit, in das Innere eines Patienten zu blicken, ohne ihn aufschneiden zu müssen. Aber ihre Fingerkuppen hatten durch die praktische Arbeit eine so hohe Sensibilität entwickelt, dass sie tatsächlich fühlen konnte, ob ein Organ geschädigt war.
»Sie haben Glück gehabt, Miss Cooper«, sagte Ricarda mehr zu sich selbst als zu ihren Zuschauerinnen und der Patientin, die alles reglos hingenommen hatte. »Ich kann keine Schwellung der Milz ertasten. Lediglich der rechte Lungenflügel ist ein wenig in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich denke, dass eine Fixierung des Brustkorbes und Schmerzmittel reichen werden.«
Aber die Krankenschwestern rührten sich nicht. Deshalb setzte Ricarda laut hinzu: »Bringen Sie mir bitte feste Mullbinden, damit ich den Brustkorb wickeln kann! Außerdem Nadel und Faden für die Platzwunde auf der Stirn, Jod, Riechsalz und Schmerzpulver.«
Die Schwestern starrten sie nur an. Als Ricarda klar wurde, dass die beiden nicht vorhatten, Anweisungen von ihr entgegenzunehmen, platzte ihr der Kragen. »Verdammt, nun machen Sie schon!«
Die jüngere der beiden setzte sich in Bewegung. Die ältere musterte sie noch immer hochmütig.
Ricarda atmete einmal tief durch und zwang sich zur Ruhe. Sie kannte diese Sorte Schwestern gut, auch im Züricher Universitätshospital hatte es die eine oder andere davon gegeben.
Inzwischen war das Geforderte herbeigeschafft. Nachdem Ricarda die Stirnwunde ihrer Patientin genäht hatte, legte sie einen engen Verband um deren Brustkorb. Die jüngere Schwester assistierte ihr sogar, während die Französin weiterhin wie ein Zerberus an der Tür verharrte.
Wie würde sie sich verhalten, wenn ich hier angestellt wäre?, fragte Ricarda sich. Würde sie mich dann anders behandeln? Immerhin wäre ich dann kein Eindringling, der widerrechtlich die Räumlichkeiten ihres geschätzten Doktors betreten hat.
»Was ist hier los?«, donnerte plötzlich eine Stimme.
Ricarda richtete sich auf und sah sich um. Ein untersetzter dunkelhaariger Mann mit Schnauz- und Kinnbart stürzte mit puterrotem Kopf auf sie zu. Offenbar hatte man Dr. Doherty doch gerufen, und das bedeutete Ärger.
»Ich war zufällig Zeuge, wie diese Frau hier von einem Reiter überrannt wurde. Ich habe Rippenbrüche diagnostiziert und einen Verband angelegt.«
Doherty starrte sie an, als wollte er sie mit Blicken durchbohren. »Wer zum Teufel sind Sie?«, presste er schließlich hervor.
Ricarda setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Mein Name ist Doktor Ricarda Bensdorf, ich bin erst vor wenigen Stunden hier eingetroffen. Sie sind Doktor Doherty, nicht wahr?«
Der Mann gab ein Schnauben von sich, das sich entfernt nach Zustimmung anhörte.
»Es tut mir wirklich leid, wenn ich in Ihren Zuständigkeitsbereich eingegriffen habe, aber ich wusste nicht, wie lange Sie beschäftigt sein würden. Da habe ich kurzerhand selbst die Versorgung der Patientin sichergestellt; immerhin bin ich Doktor der Medizin.« Ricarda lächelte verbindlich.
Der Arzt starrte sie schweigend an und musterte sie von Kopf bis Fuß. »Das Diplom will ich erst einmal sehen«, fuhr er sie schließlich an. »Und selbst wenn Sie eines haben, bedeutet es noch lange nicht, dass Sie einfach mein Sprechzimmer betreten und jemanden behandeln dürfen. Tun Sie das, wo Sie wollen, aber nicht hier!«
Ricarda atmete tief durch. Der Mann hatte ja Recht, aber wenn es nun wirklich etwas Ernstes gewesen wäre, hätte die Behandlung nicht warten können.
»Ich habe mich bereits dafür
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