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Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga

Titel: Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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und ihnen angeblich eine besondere Kraft verlieh. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters war Moana eine schöne Frau. Als Jack noch ein Kind war, hatte sie, obwohl noch jung an Jahren, bereits das Amt der Heilerin ihres Stammes innegehabt. Die Tochter des Stammesältesten hatte ihren Vater bald an Ansehen übertroffen.
    »Komm, kiritopa«, sagte die Heilerin, noch bevor sie die Augen öffnete. Sie hatte seinen Schritt erkannt. Obwohl er sich stets bemühte, schaffte Jack es nicht, sich so lautlos zu bewegen wie die Maori, die meistens barfuß gingen oder bestenfalls Sandalen trugen.
    »Kiritopa«, bedeutete so etwas wie »Christusträger«. Moana hatte Jack diesen Namen nach seinem ersten Besuch verliehen. Damals war ihr das Kreuz aufgefallen, das er an einem Lederband um den Hals trug, und sie hatte wissen wollen, was es damit auf sich habe. Also hatte er ihr von seinem Glauben erzählt.
    Die Heilerin öffnete die Augen und erhob sich. Auf den schroffen Steinen bewegte sie sich anmutig wie eine Gazelle. Vor Jack verbeugte sie sich leicht. »Haere mai.«
    Auch Manzoni beugte sich vor, bis sich seine Nase und die der Heilerin berührten. Diesen Gruß nannten die Maori hongi. Nirgendwo bei den Weißen gab es eine so innige Geste unter Bekannten und Fremden.
    »Was dich führen zu mir?«
    »Ich habe dir etwas mitgebracht, Moana«, sagte Manzoni, zog das fein säuberlich verschnürte Stoffpaket hervor und reichte es ihr.
    Nachdem sie ihn eine Weile angesehen hatte, sagte sie: »Und dazu du haben noch etwas auf Herz.«
    Diese Wendung existierte eigentlich nicht in ihrer Sprache, denn das Herz war bei den Maori nicht für die Sorgen zuständig. Aber seit Jack es Moana erklärt hatte, benutzte sie diese Worte gern, weil sie es faszinierend fand, dass das Herz der pakeha nicht nur Mut, sondern auch Sorgen in sich tragen konnte.
    »Es bedarf keiner Sorge, um dich zu besuchen«, entgegnete Jack, um höflich zu sein. »Doch es gibt etwas, bei dem ich dich um Hilfe bitten möchte.«
    »Nun, dann erzähle!«
    Sie nahmen auf einem der Steine Platz, und Jack berichtete von den Schafläusen. Vor einiger Zeit, als die Parasiten seine Tiere zum ersten Mal heimgesucht hatten, hatte er noch Schwierigkeiten gehabt, Moana zu erklären, was das für Tiere waren. Mittlerweile hatten sie sich darauf geeinigt, die Läuse »Bluttrinker« zu nennen, denn sie saugten sich mit dem Blut der Wirtstiere voll.
    Jack musste wieder an die Verständigungsprobleme denken, die er bereits auf der Sitzung heute Nachmittag angesprochen hatte. »Es geht wieder einmal um die Bluttrinker«, sagte er. »Sie haben einige meiner Schafe befallen.«
    »Dann du brauchst rongoa.«
    Die Bestandteile der rongoa, die Moana herstellte, waren nur ihr bekannt. Eines Tages würde sie das Wissen über all ihre Heilmittel an dasjenige ihrer Kinder weitergeben, das ihr Nachfolger werden sollte. Aufzeichnungen über ihre Heilkunst besaßen die Maori nicht; sie tradierten ihr Wissen nur mündlich.
    »Ja, am besten wieder etwas, was ich den Tieren ins Futter geben kann.«
    Beim ersten Mal hatte sie ihm erklärt, dass den Schafen nur ein Mittel helfen könne, das den Geschmack ihres Blutes verändere. Jack war zunächst skeptisch gewesen, doch das hatte sich gelegt, nachdem er die Kräuterkur ausprobiert hatte. Innerhalb weniger Tage waren die Tiere lausfrei gewesen.
    »Das du bekommen. Begleiten mich ins kainga.«
    Jack schloss sich der Heilerin an. Ein Stück vom heiligen Platz entfernt stießen sie auf Jacks Pferd, das er bei den Zügeln nahm.
    »Ich spüre, an dir was anders ist als sonst«, sagte sie plötzlich.
    »Ich mache mir Sorgen um meine Herde.«
    »Nein, das es nicht sein«, entgegnete die Heilerin lächelnd. »Wegen deiner Herde ich dir helfen, also keine Sorge. Ich meine, dein mauri stark. Heute Gutes passiert.«
    »Mauri« bezeichnete die Lebenskraft eines Menschen. Jack stellte sie sich wie eine Aura vor, die die Heilerin auf irgendeine Weise wahrnehmen konnte. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn mit der Erfassung seiner Stimmung verblüffte.
    »Es wäre möglich. Es war ein sehr guter Tag trotz der Nachricht von den Bluttrinkern.«
    »Du hast getroffen wahine ?«
    Offenbar konnte Moana auch Gedanken lesen. »Ja, ich habe heute tatsächlich eine Frau getroffen, eine sehr ungewöhnliche Frau. Sie ist Heilerin so wie du, gehört aber zu den pakeha.«
    So wurden die Weißen genannt, zu denen Jack auch gehörte. Moana benutzte diesen Begriff allerdings nie, wenn sie

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