Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
einmal zum Wohle seiner Farm handeln. Selbst in Auckland erscheinen konnte er nicht, also beschloss er, zum Telegrafenamt von Tauranga zu reiten. Der Diskretion halber hatte die Company einen Brief geschickt, doch als Antwort würde ein Telegramm genügen.
Jack stopfte das zerknüllte Schreiben in seine Hosentasche und schwang sich in den Sattel.
Wenig später kam er an seiner Weide vorbei und entschloss sich, Kerrigan über das Schreiben zu unterrichten. Am Koppelzaun machte er Halt, saß ab und band Bonny an einem der Pfosten fest. Dann stieg er über den Zaun und ging zum Scherschuppen.
Schon von weitem strömte ihm der Geruch von Lanolin in die Nase. Seine Männer hatten neben dem Schuppen einen Pferch errichtet, in dem die schurbereiten Tiere standen. Die Schafe blökten, als ginge es zum Schlachter. Gerade wurden wieder ein paar geschorene Schafe freigelassen und auf der anderen Seite des Schuppens neue hereingetrieben.
Die Scherer standen beinahe knietief in Rohwolle. Ein Tier nach dem anderen wurde gegriffen, auf den Rücken gezwungen und dann in Windeseile von seinem Fell befreit. Nicht immer ging das ohne Verletzungen ab, doch die Männer waren routiniert und in ihrem Job die besten im Umkreis.
Die Hilfskräfte, die Jack zur Schur eingestellt hatte, räumten die Vliese rasch auf einen Haufen, wo sie nach Farbe und Qualität sortiert und schließlich auf Wagen verladen wurden, die sie zur Presse fuhren.
Jack hielt nach Kerrigan Ausschau, doch der war mit seinen Leuten und den Hunden unterwegs, um die zweite Herde zusammenzutreiben und die Mutterschafe auszusondern, die gerade gelammt hatten. Er beschloss, im Schurschuppen auf Tom zu warten. Er bedachte jeden, der in seine Richtung schaute, mit einem Nicken, hielt sich aber im Hintergrund und sah den Scherern zu.
Die Schur hatte für Jack schon immer etwas Faszinierendes gehabt. Schon als kleiner Junge hatte er staunend beobachtet, wie leicht den Scherern die Arbeit von der Hand ging. Dass es eine schwere Tätigkeit war, hatte er erst später begriffen, als sein Vater ihn angehalten hatte, bei der Schur mitzumachen. Die Schnelligkeit - der Rekord eines geübten Scherers lag bei siebenhundert Tieren am Tag - und das Geschick der Schafscherer, die in der Saison von Farm zu Farm zogen, hatte er allerdings nie erreicht.
Hufschlag brandete heran, begleitet von Hundegebell. Die zweite Herde wurde herangetrieben. Die Hunde umkreisten sie und achteten darauf, dass keines der Tiere ausbrach. Als die Männer die Schafe ins Gatter gebracht hatten, betrat Kerrigan den Schuppen.
»Es läuft bestens«, sagte er und reichte seinem Boss die Hand. »Die Tiere sind gesund, und die Scherer kommen gut voran.«
»Gut zu wissen, dann kann ich die Leute von der Company ja beruhigen.« Damit drückte Jack seinem Vormann das Schreiben in die Hand. »Bessett hat genau das getan, was Sie befürchtet haben. Er hat uns angeschwärzt. Jetzt glaubt die Company, dass wir nicht liefern können.«
»Aber das ist doch kompletter Blödsinn.«
»Genau das werde ich denen telegrafieren. Sie dürfen auf keinen Fall den Eindruck haben, dass wir verlauste Wolle verkaufen.« Während er sprach, verspürte Manzoni erneut das Verlangen, Bessett den Hals umzudrehen. Also hielt er einen Moment lang inne und atmete tief durch.
»Sie werden das schon hinbekommen, Sir. Wenn's sein muss, fahr ich persönlich zu denen und hämmere ihnen in den Schädel, dass unsere Wolle gut ist.«
»Danke, aber das wird nicht nötig sein. Ich werde die Herrschaften schon besänftigen. Und ich schwöre Ihnen, Tom, noch mal macht Bessett so was nicht mit mir!«
Jack nahm das Schreiben wieder an sich und schob es in seine Tasche.
»Viel Glück in der Stadt, Sir«, sagte Kerrigan zum Abschied. »Und lassen Sie ja nicht zu, dass die Company den Preis drückt. Die Wolle ist in diesem Frühjahr hervorragend.«
Davon überzeugte sich Jack noch einmal selbst, bevor er zu seinem Pferd zurückkehrte. Tatsächlich war sie sehr dicht gewachsen, hatte eine gute Farbe und eine schöne Struktur. Es wäre ein Jammer, wenn diese Prachtware nicht den vollen Preis einbrächte. Aber wie es momentan aussah, würde er froh sein, wenn er sie überhaupt losbekam.
Ricardas Wangen glühten, als hätte sie zu lange in das Feuerloch eines Herdes gestarrt. Noch immer konnte sie nicht fassen, dass sie nun ihre Pläne verwirklichen durfte.
Mary Cantrell hatte den Empfang bereits für kommenden Samstag angesetzt, sodass es Ricarda
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