Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
nun, Doc, soll ich die Mädchen jetzt reinschicken, damit Sie sie untersuchen können?«
Doherty hatte eigentlich keine Lust, eine Horde Huren unentgeltlich zu untersuchen, aber die Abmachung, die er mit Borden getroffen hatte, hing wie eine Gewitterwolke über ihm. Damit der Blitz sich nicht entlud, musste er wohl oder übel zustimmen.
Am Farmhaus angekommen, bemerkte Jack mit Entsetzen, dass Ricarda ohnmächtig geworden war. Innerlich Stoßgebete zum Himmel schickend, trug er sie in das Gästezimmer, das schon lange nicht mehr genutzt worden war, und legte sie auf dem Bett ab. Wie schön sie selbst jetzt noch ist!, ging es ihm durch den Kopf. Doch sogleich schalt er sich für diesen unpassenden Gedanken, und er lief in die Küche, um Wasser und Verbandszeug zu holen. Als er zurückkehrte, war Ricarda noch immer nicht zu Bewusstsein gekommen. In diesem Augenblick bereute er, dass er seine Haushälterin nur zweimal wöchentlich beschäftigte. Er hätte ihre Hilfe jetzt gut gebrauchen können, zumal er sich davor scheute, Ricarda auszuziehen. Es wollte ihr eines der Nachthemden seiner Mutter überziehen, die er aus lauter Sentimentalität aufgehoben hatte.
»Bitte erschrecken Sie nicht, ich möchte es Ihnen nur bequem machen!«, sagte er, aber offenbar hörte Ricarda es nicht. Sie stöhnte nur leise.
Jacks Hände zitterten, als er ihr Bluse und Rock abstreifte und sie anschließend aus ihrem Korsett schälte.
Begehren war es nicht, was ihn überfiel, als sie, nur mit Unterwäsche bekleidet, vor ihm lag; er fürchtete vielmehr, dass sie aufwachen und ihn für einen Wüstling halten könnte. Aber das geschah nicht.
Jack rollte ein Kopfkissen zusammen und bettete Ricardas Beine vorsichtig darauf.
Erst jetzt bemerkte er das ganze Ausmaß ihrer Verbrennungen. Die Haut warf dicke Blasen, wovon einige aufgeplatzt waren und entzündetes dunkelrosa Fleisch sichtbar werden ließen. Ricarda musste unermessliche Schmerzen haben.
Als Kind hatte Jack sich einmal mit kochendem Wasser verbrüht. Er war durch die Küche getobt und hatte versehentlich die Köchin angerempelt, die gerade Tee aufgießen wollte. Ihr war der Kessel aus der Hand geglitten, und sein Inhalt hatte sich über sein Bein ergossen. Silbrige Narben erinnerten ihn noch heute daran.
»Vater, warum ... Ich will nicht ...«, murmelte Ricarda nun. Dann verstummte sie wieder und atmete laut stöhnend.
Jack kühlte ihre Brandwunden mit nassen Tüchern, worauf sie sich beruhigte.
Was soll ich bloß tun?, fragte er sich. Er zog sich einen Stuhl neben ihr Bett, setzte sich und betrachtete Ricarda. Mehr als kühlen konnte er wohl nicht tun. Ob sie Schmerzmittel brauchte? Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine Falte gebildet wie bei einem kleinen Kind, das von einem schlimmen Traum heimgesucht wird. Jack legte sanft seinen Daumen darauf und glättete sie. Dasselbe hatte seine Mutter immer mit ihm gemacht, wenn ihn als Kind kurz vor dem Schlafengehen ein Problem zu sehr beschäftigt hatte.
Ricarda spürte die Berührung offenbar, denn ihre Züge glätteten sich ein wenig und sie lächelte sogar.
5
Es wurde eine schlaflose Nacht für Jack Manzoni. Von Zeit zu Zeit wechselte er die kühlenden Umschläge, doch viel schien das nicht zu bewirken. Ricarda fieberte, bewegte sich unruhig und redete in immer kürzer werdenden Abständen wirr. Sie sprach von ihrer Mutter, immer wieder von einer Sache, die sie nicht tun wollte, und schließlich von Feuer.
Jack fühlte sich so hilflos wie damals, als seine Verlobte im Sterben lag, und wurde immer unruhiger. Das Kühlen und auch seine tröstenden Worte schienen nichts auszurichten.
Als er gegen Morgen die Stirn der Kranken berührte, glühte sie wie ein Kaffeetopf. Aber damit nicht genug. Beim Verbandswechsel bemerkte Jack, dass Ricardas Wunden sich entzündet hatten. Seine Ängste wuchsen, und seine Gedanken rasten. Es gab nur einen Menschen, der Ricarda helfen konnte.
So leise wie möglich verließ er das Gästezimmer und ging nach draußen. Er verzichtete darauf, sein Pferd zu satteln, sondern schwang sich auf den Rücken seines Apfelschimmels und preschte durch das Tor aus Kauri-Bäumen davon. Die Furcht, dass die Ärztin ernsthaften Schaden nehmen könnte, zerrte an ihm wie die Zähne eines tollwütigen Hundes. Ricarda durfte nicht sterben! Er schwor sich einmal mehr, Rache an den Männern zu nehmen, die ihr das angetan hatten.
Obwohl er gefährlich schnell ritt, erreichte er das Dorf der Maori ohne
Weitere Kostenlose Bücher