Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
»Es sähe Borden ähnlich, ein paar Galgenvögel auf Ricarda zu hetzen.«
»Borden?«, fragte Jack erstaunt.
»Hat Ricarda Ihnen nicht von ihm erzählt?«
Offenbar nicht, wie Mary feststellen musste, denn ihr Gegenüber schüttelte nur den Kopf.
»Vor ungefähr einer Woche ist er in ihre Praxis hineingeschneit und hat sie bedroht. Sie hat wohl bei einem seiner Stammkunden Gonorrhoe festgestellt. Diese Neuigkeit hat sich in der gesamten Stadt verbreitet, und natürlich meiden die meisten Kunden seither dieses Etablissement.«
Jack kannte den Bordellbesitzer nur flüchtig. Doch bei dem, was man von ihm hörte, war Marys Bemerkung nicht von der Hand zu weisen.
»Natürlich habe ich keine Beweise«, setzte die Frau vorsichtig hinzu. »Aber vielleicht sollten Sie den Constables mal einen Tipp geben.«
»Das werde ich«, entgegnete Jack, während eine Zorneswelle ihn erfasste. Wenn das wahr ist und ich diesen Mistkerl in die Finger kriege ..., dachte er, unterdrückte aber seine Regung, denn er wollte sich nicht vor Mary Cantrell kompromittieren.
»Grüßen Sie Ricarda bitte von mir«, sagte sie nun. »Sobald es ihr wieder so gut geht, dass sie aufstehen kann, werde ich sie besuchen.«
»Sie sind jederzeit willkommen, Mrs Cantrell.« Damit reichte Jack ihr die Hand zum Abschied und kletterte zurück auf den Kutschbock.
An diesem Nachmittag hielt das Schicksal für Jack noch mehr Überraschungen bereit. Das Zusammentreffen mit Mary Cantrell und die Nachricht, dass Borden mit Ricarda Streit gehabt hatte, waren nur die Ouvertüre gewesen. Kaum lenkte er den Wagen auf den Strand, schickte die Vorsehung ihm Borden über den Weg.
Dessen Anblick stach Jack wie ein Speer ins Auge. Der Bordellbesitzer spazierte im Sonntagsstaat die Straße hinunter und lächelte alle Passanten freundlich an.
Der Gedanke, dass dieser Kerl sich vergnügte, während Ricarda noch vor kurzem mit dem Tod gerungen hatte, war für Jack auf einmal so unerträglich, dass er alle Vorsicht vergaß. Er brachte seinen Wagen zum Stehen, stellte die Bremse fest und sprang vom Kutschbock. Mit langen Schritten marschierte er auf den Bordellbesitzer zu.
»Borden!«, rief er zornig, was den Mann sogleich innehalten ließ.
»Was kann ich ...«
Weiter kam er nicht, denn Manzonis Faust schoss vor und traf Bordens Kinn. Alle Kraft und Wut, die er aufbringen konnte, lagen darin, und Borden, dem schon viele Gegner ein stählernes Kinn attestiert hatten, taumelte überrumpelt zurück.
Das genügte Jack aber keineswegs. Er verpasste seinem Gegenüber noch zwei Hiebe, sodass Borden zu Boden ging.
Trotz blutender Nase und einer geplatzten Augenbraue rappelte der Bordellbesitzer sich unverzüglich wieder auf und versetzte Manzoni einen Faustschlag gegen die Brust.
Der Farmer stöhnte, doch sein Zorn war dadurch nur noch mehr angestachelt. Er duckte sich unter einem weiteren Schwinger einfach weg, rammte Borden den Kopf in die Magengrube und drängte seinen Gegner so weit vom Uferweg ab, dass das Wasser immer näher kam. Unerbittlich stieß Jack Borden vor sich her.
Der ruderte hilflos mit den Armen, konnte sich jedoch nicht vor dem Fall retten. Er kippte nach hinten und landete mit einem großen Platscher im Meer.
Manzoni blickte ihm mitleidslos nach. Er wartete nur so lange ab, bis er sicher war, dass Borden schwimmen konnte. Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte er vielleicht um Hilfe gerufen.
Aber Borden begann laut fluchend zu paddeln, das Gesicht blutüberströmt. »Das wirst du bereuen, du Hurensohn, du nudelfressender Bastard!«
Jack schwieg, als seien die Beleidigungen des Bordellbesitzers nichts weiter als stinkende Ausdünstungen, die vom Wind davongeweht würden. Er starrte seinen Gegner nur grimmig an, als wolle er ihn auffordern, doch aus dem Wasser zu steigen und den Kampf fortzuführen.
Borden paddelte noch immer wie ein junger Hund. Jack drehte sich um. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass ihn die Passanten, die sich zufällig in der Nähe befanden, anstarrten, als habe er den Verstand verloren. Vielleicht hatte er das ja auch. Immerhin hatte er soeben einen Mann angegriffen, der vielleicht keine Skrupel gehabt hatte, Männer für einen Überfall auf eine wehrlose Frau anzuheuern. Aber das kümmerte Jack nicht. Er strich sich den Staub vom Revers seines Gehrocks und kehrte zu seinem Wagen zurück. Ohne einen Kommentar an die gaffenden Passanten abzugeben, erklomm er den Kutschbock und fuhr davon.
Er bog in die Spring Street ein und
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