Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
letzten Getreuen hinter der letzten Stellung, die unmittelbar vor dem Burgtor errichtet war.
Natürlich beließen es die Skrälinge nicht dabei, nur dieses Häuflein Verteidiger anzugreifen. Die wochenlange Vereisung der Festungsmauern, die immer wieder mit Wasser übergössen worden waren, erschwerte den Geistern deutlich den Aufstieg. Nur wenige erreichten die Mauerkronen und wurden von den Soldaten leicht überwältigt. Und die Eiswürmer, die mit ihrer tödlichen Fracht soviel Verheerung unter den Stadtverteidigern angerichtet hatten, erwiesen sich als zu klein, um die Mauern zu überwinden. Hilflos schwenkten sie ihre Schädel zwanzig Schritte unterhalb der Zinnen hin und her. Aber auch Bornhelds Männer mußten Opfer bringen, und der Oberste Kriegsherr schritt wütend seine Linien ab, beschimpfte seine Offiziere und verwünschte Axis, weil Stadtmauern und Barrikaden nicht standgehalten hatten.
Jorge und Magariz verfolgten oben von der Mauer den verzweifelten Abwehrkampf in den Gassen von Gorken. Mit steinernen Mienen mußten sie erleben, wie eine Linie nach der anderen überrannt wurde. Am liebsten hätten die beiden Fürsten zu den Waffen gegriffen und wären dem Axtherrn zu Hilfe geeilt. Doch das war natürlich ausgeschlossen. Bornheld hatte strikt befohlen, daß die Burgtore verschlossen blieben, komme, was da wolle. Mochte das auch hart erscheinen, der Herzog hatte dennoch die einzig richtige Entscheidung getroffen. Gleich in welcher verzweifelten Lage sich die Stadtverteidiger befanden, kein verantwortlich denkender Befehlshaber hätte ihretwegen die Sicherheit seiner Festung aufs Spiel gesetzt.
Der Axtherr und seine zusammengeschrumpfte Streitmacht befanden sich am Rande der völligen Erschöpfung. Seit vierundzwanzig Stunden waren sie auf den Beinen, die erste Hälfte davon in Bereitschaft, die zweite in der Schlacht. Jeder hatte eine oder mehrere Wunden davongetragen, und viele hatte der Blutverlust nach einer Krallenattacke zusätzlich geschwächt. Wer nicht gerade kämpfen mußte, lehnte müde an der Mauer. Und wem die Beine nachzugeben drohten, hielt sich nur noch mit der Gewißheit aufrecht, daß er sich im Liegen nicht gegen die Geister wehren konnte und sterben mußte. Einigen war das aber in ihrer Ermattung gleich, und sie ließen sich zu Boden sinken. Alle Einheiten besaßen nur noch den Bruchteil ihrer einstigen Kampfstärke, und in diesem zusammengewürfelten Haufen standen Fremde Seite an Seite, grauuniformierte Axtschwinger neben braunen regulären Soldaten.
Während der Straßenkämpfe hatte der Krieger verzweifelt versucht, bis in sein Innerstes vorzudringen, zu der Kraft, die in ihm wohnte, wie er wußte. Wenn er früher die Macht erhalten hatte, das Lied der Genesung zu singen, warum weckte der massenhafte Tod seiner Männer in ihm nicht das Wissen um ein Vernichtungslied, das er gegen die Geister einsetzen konnte? Inmitten der Erschöpfung, die seinen Verstand lähmte, erkannte Axis, wie sehr er den Beistand seines Vaters benötigte. Er fühlte sich wie ein Fünfjähriger, dem zum ersten Mal ein Männerschwert in die Hand gedrückt worden war – obwohl er wußte, daß es sich dabei um eine tödliche Waffe handelte, konnte er es doch nur nutzlos hinter sich herziehen. Wieder und wieder schrie Axis den Namen seines Vaters, bei jedem Stoß in das Auge einer Kreatur, als würde der Ruf auf wunderbare Weise Sternenströmer an seine Seite führen.
Aber das geschah natürlich nicht, und so blieb dem Axtherrn nichts anderes übrig, als sich der Waffen zu bedienen, mit denen er sich auskannte, und darüber hinaus zu hoffen, diesen Alptraum zu überleben. Von den ursprünglich achttausend Verteidigern der Stadt hielten sich noch dreitausend vor der Mauer. Und der Krieger fühlte sich mittlerweile zu erschöpft, um seinen ikarischen Schutzzauber aufrechtzuerhalten. Vielleicht bedeutete der Tod ja doch eine Erlösung von aller Pein und wäre deutlich besser als das, was er in der vergangenen Nacht gesehen und durchgemacht hatte. Axis lehnte sich an die Mauer und rutschte leise an ihr nach unten.
Belial sank neben ihm auf den Boden. Blutverklebtes Haar hing ihm in die Stirn, und die Erschöpfung hatte tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben.
Der Axtherr schloß seine Augen, riß sie aber sofort wieder auf, als ein Mann neben ihm aufschrie.
»Sie kommen schon wieder«, meinte der Leutnant nur und half Axis hoch. »Haben sie die Bäuche denn noch immer nicht voll?«
Der Krieger schwankte, und
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