Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
einer weiteren halben Stunde wendete Bornheld auf der Suche nach weiteren Gegnern sein Roß. Aber der Nebel lichtete sich schon. Er konnte jetzt etwas ruhiger atmen und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Sein Blick flog über die tapfere Schar. Wie viele waren übriggeblieben?
»Sie fliehen, Herr!« schrie Gautier an seiner Seite. »Wir haben sie besiegt!«
Bornheld sah ihn streng an und deutete auf den geröteten Schnee unter den Hufen ihrer Pferde. »Und wie viele Männer habe ich verloren, Gautier?«
Die Geister hatten nicht in großer Zahl angegriffen, aber dennoch Tod und Vernichtung über die Patrouille gebracht. Zu viele Soldaten waren gefallen, weil sie ihre Fackeln oder Schwerter nicht auf die rechte Weise gegen die Kreaturen eingesetzt hatten. Wir haben überlebt, aber keinesfalls einen großen Sieg errungen, dachte der Herzog grimmig. Sein Pferd wich einem kopflosen Körper aus. Wie kommt es, daß Axis’ Patrouillen immer vollständig zurückkehren, während ich bei meinen Soldat um Soldat verliere? Mit jeder neuen Streife vergrößerte der Axtherr seinen Ruhm und seinen Ruf, während bei den Patrouillen Bornhelds regelmäßig deutliche Verluste zu verzeichnen waren.
»Acht sind gefallen, zwei verwundet«, meldete Timozel, der gerade sein Roß neben dem des Herzogs zügelte.
Neben Gautiers vor Anstrengung gerötetem Gesicht wirkte der Jüngling ruhig und beherrscht. Bornheld betrachtete ihn prüfend. Sein Respekt vor Timozel war deutlich gestiegen, seit er in die Burg gekommen war. Heute begleitete er ihn zum zweiten Mal auf eine Streife und hatte erneut seine hervorragende Kampferprobtheit unter Beweis gestellt. Wieder ging Bornheld durch den Sinn, daß dieser junge Mann trotz seiner zwanzig Jahre die Ausstrahlung und Selbstsicherheit eines erfahrenen Soldaten besaß. Aber im Augenblick zählte vor allem, daß sich auf einen Kämpfer wie ihn nicht verzichten ließ. Der Herzog beschloß, Timozel in der Festung einen Posten mit mehr Verantwortung zu übertragen.
So sehr Bornheld den tapferen Streiter schätzte, noch mehr gefielen ihm die zuverlässige Treue des Jünglings und die Art, wie er seinen Herrn bewunderte. Er hatte ihm Faraday gebracht, ritt am liebsten mit dem Herzog auf Patrouille und mochte den Axtherrn überhaupt nicht. Alles zusammengenommen ein Mann nach seinem Herzen, sagte sich Bornheld.
»Herr?« unterbrach Gautier seine Gedanken. »Sollen wir die Toten hier liegenlassen?«
»Natürlich«, erwiderte der Herzog barsch. »Sollen wir uns etwa mit ihrem Transport belasten? Wir haben die Patrouille eben erst begonnen und müssen noch viel weiter. Laßt sie hier liegen, und verteilt ihre Fackeln an die anderen Männer.«
Bornheld trieb sein Pferd an, brachte die Soldaten mit einigen knappen Befehlen wieder in Formation und führte sie dann tiefer ins nördliche Ödland hinein.
Obwohl der Herzog wachsam nach weiteren Skrälingen Ausschau hielt, drifteten seine Gedanken doch immer wieder ab zu Faraday. Sie beschäftigte ihn tags und nachts, selbst mitten im Getümmel der Schlacht. Bornheld erinnerte sich auch gern an den Schmerz in Axis’ Blick, als er die Schöne vor ihm in die Arme nahm. Das brachte ihn immer wieder zum Schmunzeln. Der Herzog war felsenfest überzeugt davon, daß seine Gattin ihn aus tiefstem Herzen liebte. Wenn die drei sich zufällig im selben Raum aufhielten, wanderten Faradays Augen nie zum Axtherrn hinüber, nicht ein einziges Mal. Nein, sie stand an der Seite ihres Gatten, wo sie auch hingehörte. Dann lehnte die Edle sich an ihn und flüsterte ihm süße Sachen ins Ohr. Oh ja, Bornheld spürte sehr deutlich, daß er es zumindest auf diesem Gebiet geschafft hatte.
Wenn doch seine Patrouillen genauso triumphal ausfallen würden wie die seines Halbbruders!
Der Herzog fragte sich, ob er nicht besser Jorges Vorschlag gefolgt wäre und seine Frau in den sichereren Süden geschickt hätte. Würde Faraday nicht hier oben in Gorken vielleicht doch etwas zustoßen? Bornheld rief sich die Verteidigungseinrichtungen der Stadt und der Festung ins Gedächtnis. Beide befanden sich in ausgezeichnetem Zustand. Dennoch würde ihnen ein verzweifelter Abwehrkampf bevorstehen, wenn die Kreaturen mit aller Macht angreifen sollten. Die Stadtmauern bildeten den Schwachpunkt in der Verteidigungsanlage: die Mauern waren zu niedrig und nicht so schwer befestigt wie die der Feste. Gorken brauchte also einen besonders fähigen Befehlshaber, der die Verteidigung organisieren
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