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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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eiskalte Hölle, wo die Titanen unter den Winden heulend und geifernd gegen ihre Gefangenschaft rebellieren und die ausgeflockten, schneeartigen Substanzen in tobende Strudel reißen und sie zu Fragmenten weißer Arkaden verquirlen.
    Die Korallenriffe von Erebus recken ihre gewaltigen, gezackten Finger aus dem kleistrigen Meer. Verätzte, erodierte Riffkämme laufen in labyrinthischen Spiralen und Kehrtwenden zehn, zwanzig Kilometer durch das rußschwarze Wasser. Wo sie sich berühren, bäumen sich erstarrte, warzige Explosionen auf, stachlige Knoten und Konglomerate aus mineralischen Zähnen. An diesen gezackten Graten hängen und verenden die gestrandeten Medusen, muskulöse Schleimkuchen, so groß wie Tischplatten, dort hinaufgeworfen von Orkanen, die die gezeitenlosen, klebrigen Fluten aufwühlen. Die Korallenklippen sind dick verschmiert mit ihrem Blutwasser. Knochige pechschwarze Hummer, bis zu einem halben Meter lang, schneiden sich Stücke aus dem schrumpfenden, matschigen Fleisch, während die Piranhamolche gierig nach ihren Stielaugen schnappen.
    In Belladonna, zwischen den erodierten Aschekegeln, qualmen und brutzeln immer noch Teergruben. An den Hängen uralter Krater, zwischen den Gräsern, die verloren im beizenden Wind flattern, strecken verkrüppelte Bäume ihre Arme in den dräuenden Himmel. Die Blätter sind wie aus fettigem Leder, doch im Herbst, der in diesen Breiten früh einsetzt, verwelken sie und
werden verweht wie schwarze Flocken verbrannten Papiers. Die Früchte sind blass, lang und laufen spitz zu, sehen aus wie kranke Gumboschoten. Geschuppte Höhlenfledermäuse fallen zu Zehntausenden ein und fressen die Äste über Nacht kahl. Eine Rasse von schmarotzenden Würmern, die sich von Holzfasern ernährt, hat sich diese bedauernswerten Bäume als Wirt auserkoren. Die Borke der Bäume ist pulverisiert und verliert fortwährend einen dicken grauen Sirup. Den ganzen Sommer über kauen und vermehren, kauen und vermehren sich die Holzwürmer. Manchmal, so heißt es, könne man einen befallenen Baum qualmen oder sogar in Flammen aufgehen sehen, so heiß werde er inwendig.
    Die Fauna der Venus ist ohne jede Vernunft, sie ist streitsüchtig und wild. Die Geschöpfe treten gepanzert und mit Klauen bewehrt in Erscheinung, sie bewegen sich unter Schalen fort, tief am Boden. Sie hinterlassen Spuren aus Schleim und Sabber und aus Blut und Körpersäften erbeuteter Kreaturen, die weniger wachsam und weniger gut bewehrt waren als sie selbst. In den kleistrigen Ammoniaksümpfen von Aino hausen Schermesserschlangen und riesige, hitzige Skorpione, krustig und rot wie die Früchte des Mastixbaums. Heimisch an den Ufern von Beerseba sind das kannibalische Gürteltier und die Ströber-Schildkröte, in Wahrheit gar keine Schildkröte, sondern ein gedrungener Kaiman mit einem wuchtigen Rückenschild, dessen Gewicht ihm letztlich, in neun von zehn Fällen, das feiste Genick bricht. Die Achselhöhle der Aphrodite ist die ökologische Nische des Asbestpangolins; hier ist auch der Schwermetallleguan beheimatet, ein Tier, so purpurrot wie ein frischer Bluterguss.
    Die Großtiere ernähren sich von Holzwürmern, dicken gelben Larven oder solchen, die grau und körnig sind wie Griesbrei, von riesigen Hundertfüßlern und fetten, rehbraunen Käfern mit neun Beinen, karamelfarbenen Lurcheulen und flinken, haarigen Spinnen. Säugetiere, wenn sie denn jemals der brutalen Folter venusischer
Evolution entkamen, erhielten nicht die geringste Chance auf diesem Planeten.
    Die Natur wird wissen, warum sie die Venus zum Schmelztiegel übel riechender Substanzen und pflanzlicher Leidenschaften gemacht hat, zur Arena für Reptilien und Insekten; und sie wird wissen, warum sie ausgerechnet dort auf intelligentes Leben verzichtet hat. Man stelle sich nur einmal vor, was für eine grausame Rasse aus diesen höllischen Dschungeln hervorgegangen wäre, was für Festungen aus purem schwarzem Gestein sie zwischen den unwegsamen Hügeln und Bergen errichtet hätte, Gegenden, von denen selbst die Frasqui die Finger lassen. Eines Tages hätten diese Kreaturen vielleicht ihre Schwingen aus öligem Leder ausgebreitet und sich in die stinkenden Lüfte gewagt, hätten ihre Krallen womöglich nach dem Weltraum ausgestreckt und sich am Ende noch die arglose Erde gekrallt.
    Auf der Venus gibt es kein intelligentes Leben - und so gab es auch niemanden, der voller Angst und Schrecken hätte zusehen können, wie die überhitzte Kobold kreischend durch

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