Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Klappe.

    Verschlossen.
    Tabea ging in die Hocke. Es war nicht ganz einfach, das externe Helmmikro an den Spalt des Deckels zu bringen. Wenn sie nicht alles täuschte, vernahm sie ein winziges Schnarchen.
    Ratlos erhob sie sich wieder und ließ den Blick erneut durch den Frachtraum schweifen, wischte sich flüssige Spritzer von der Helmscheibe.
    Es regnete. Im Frachtraum der Alice Liddell!
    Erst jetzt kam sie auf die Idee, zur Decke zu blicken.
    Der Frachtraum war geborsten. Im Dach klaffte ein gewaltiges Loch. Die beiden Flügel waren auseinandergerissen wie ein Pappkarton, den ein Wüterich geöffnet hatte. Draußen, durch die Lücken in einem Labyrinth aus violettem Blattwerk, glühte wie roter Zink der venusische Himmel.
    Den Schraubenschlüssel schulternd stieg sie die Leiter zum Laufsteg hinauf und steckte den Kopf ins Freie.
    Sie sah am Schiff hinunter. Die Alice lag halb begraben in einem Sumpf aus zermalmter Vegetation. Die Schiffshülle war mit Girlanden aus zerknickten Ästen und Kletterpflanzen geschmückt, vieles davon schwarz verkohlt. Der Waldboden war morastig und dampfte. Ganz oben zwischen den unheimlichen, knolligen Hauptästen der Bäume hing wie eine gespiegelte See eine schwere, geriffelte Wolkendecke. Der Wald war ein Irrgarten aus geronnenem Schatten mit einzelnen brütenden Lichtflecken, undurchdringlich und glühend.
    Tabea brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass das Licht gekrümmt war. Die Welt schien ringsum anzusteigen, als läge die Alice mitten in einer weiten Schüssel voller heißer, faulender Pflanzenreste.
    Sie drehte ihren Verstärker auf und rief nach draußen. Sie meinte, ferne Stimmen zu hören und platschende Geräusche, aber niemand gab Antwort.

    Sie schaltete ihre Magnetsohlen wieder ein und kletterte vorsichtig in den Regen hinaus.
    Sie stand auf dem heißen Dach des Cockpits, ignorierte die Schmerzen und den Schüttelfrost in ihren Gliedern, drehte sich um und überblickte die ganze Länge ihres angeschlagenen Schiffes.
    All die Außenkameras und Antennen, die sie unterwegs repariert hatte, waren brutal abgerissen und abgeknickt worden. Die Hülle der Alice Liddell war zerkerbt und zerschrammt, als sei sie durch eine gigantische Reibschleife gegangen. Staub hatte die Kupferintarsien blind gescheuert, und Säure hatte sie fleckig anlaufen lassen. Die Tragflächen waren verbogen, an ihnen hingen sich verästelnde, klebrige, dicht belaubte Ranken. Das Schiff war über und über mit karminrotem Matsch und schwarz glitzerndem Dreck besudelt.
    Die Alice lag in einer Lichtung, wo zuvor keine gewesen war. Hinter ihr erstreckte sich eine Schneise aus gefällten und abgeknickten Bäumen. Dazu »Bäume« zu sagen entsprang reiner Analogiebildung. Diese großen Gewächse sahen überhaupt nicht wie Bäume aus, eher wie erschlaffte Stapel aus weichem Leder oder wie zerbröselte Schwammtürme oder wie gigantischer, schwitzender Blumenkohl. Viele waren schwarz verkohlt, und hier und da züngelten immer wieder Flammen auf.
    Tabea rief und rief immer wieder.
    Die einzige Antwort war ein grünes Wetterleuchten und ein ohrenbetäubender Donnerschlag. Ihr Blick irrte umher, alles war derart verwirrend, die Bäume waren so zahlreich und gespenstisch, das Licht so trübe und verbogen, dass sie nicht mehr wusste, was sie sah. Der teigige Morast ringsum schien Blasen zu werfen und zu pulsieren.
    Weiter rechts von ihr raschelte es im Blattwerk.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie nahm den Schraubenschlüssel in beide Hände.

    »Tabea!« Die Stimme klang vertraut und hilflos.
    Einer von den Zwillingen hatte sie rufen hören.
    »Wer ist da?«
    »Sarah.«
    »Wo bist du?«
    »Hier«, sagte die Akrobatin wenig hilfreich. Tabea fixierte das Buschwerk, spähte durch den Regen.
    Die Äste rauschten und wogten. Sie konnte eine silbrige Gestalt ausmachen, die sich zur Lichtung durchkämpfte.
    »Was ist passiert?«, fragte Tabea die Gestalt. »Wo sind die anderen?«
    Sarah keuchte, rang nach Luft und konnte nur stoßweise reden. »Marco ist hinter ihm her. Mogul auch, aber Mogul ist verletzt. Am Kopf. Ich kann ihn nicht finden.«
    Sarahs Raumanzug, von dem Tabea bislang kaum Notiz genommen hatte, entpuppte sich als chromglänzende Sonderanfertigung, alle technischen Geräte waren in einer einzigen schlanken Rückenflosse untergebracht. Sarah sah aus, als sei sie eigentlich unter Wasser zuhause, wie eine Art futuristischer Cyborghai. Sie watete bis zu den Knien in einem sumpfigen Teich. »Wo sind

Weitere Kostenlose Bücher