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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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das Walddach raste und unter Wogen aus Morast und saftstrotzender Vegetation eine breite Schneise pflügte, ehe sie schleudernd, rüttelnd und rumpelnd im Unterwuchs von Terra Aphrodite zum Stillstand kam.

42
    Tabea Jute hob den Kopf.
    Das Licht war fremdartig, zähflüssig und unterirdisch. Sie sah Trümmer und Zerstörung. Das Sichtfenster war zerkratzt und gesprungen und mit einem dicken Brei aus roter Schmiere, zermalmten Pilzen und Blättern bepackt. Instrumente waren aus ihren Halterungen gerüttelt worden und lagen zerschmettert am
Boden zwischen Morastspritzern und glitzernden Plexiglasscherben. Die Sicherheitsnetze hatte es aus den Verankerungen gerissen, und ölige Lappen, alte Flugschreiber-Hardcopys und leere Isolitbüchsen waren durchs Cockpit geschleudert worden. Es gab nur rot leuchtende oder blinde Kontrolllichter, und die Monitore waren entweder erloschen oder rauschten nutzlos vor sich hin.
    »Alice?«
    Keine Antwort.
    Ihre Hand zitterte über der Tastatur. Der Schock saß so tief, dass sie sich an kein einziges Kommando erinnerte. Die Luft schien voller Brausen und Zischen zu sein. Es vergingen Minuten, ehe sie die Quelle dieser Geräusche identifizieren konnte: die Sauerstoffversorgung ihres Raumanzugs. Sie war immer noch mit dem Ego-Kanal der Alice verbunden, aber die Leitung schien tot zu sein.
    »Alice, kannst du mich hören?«
    Nichts.
    Tabeas Augen füllten sich mit Tränen. Ihr lief die Nase. Sie überprüfte den Luftdruck im Cockpit. Er war anomal hoch.
    Das war die Venus.
    Sie zog kräftig hoch und schluckte, versuchte das Zittern zu überwinden, versuchte den Leuchtbaken und Suchscheinwerfern in ihrem Schädel klarzumachen, dass sie sie nicht mehr brauchte.
    Plötzlich schlubberte es im Matsch auf dem Bugfenster, und irgendwas Kleines und Unscheinbares sprang davon. Tabea stieß einen erstickten Schrei aus. Nur eine Eidechse, sagte sie sich. Doch da draußen streiften größere Dinge durch den Dschungel. Sie wusste das vom Hörensagen. Der Absturz hatte sie in die Flucht geschlagen. Jetzt kehrten sie zurück.
    Aber das größte, unerschrockenste und feindseligste aller Ungeheuer belagerte sie bereits und würde sie um nichts in der Welt preisgeben: die Venus.

    Tabea atmete ganz tief ein. Der Sauerstoff bewirkte einen klareren Kopf, ließ alles ein wenig heller aussehen, ein bisschen unwirklicher. Sie ließ das Erste-Hilfe-Fach aufspringen - wenigstens das funktionierte -, fischte darin nach einem Glucose-Koffein-Cocktail und einem halben Dutzend anderer Stärkungs- und Anregungsmittel. Während sie saugte und lutschte, versuchte sie es wieder mit der Alice , aber sie reagierte nicht.
    Falls die Ego-Platte gebrochen war, bedeutete das das Ende.
    Die Elemente hatten Zugang zum Schiff, leckten durch jeden Riss. Tabea schaltete die Antriebssysteme ab, die Navigationskreise, die röhrende Belüftung und alles, was der Sturzflug nicht schon von sich aus abgeschaltet hatte.
    Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie Passagiere an Bord hatte. Sie drückte einen Schalter. »Hallo?«, rief sie. »Alles in Ordnung bei euch?«
    Es entstand eine bange Pause. Dann schaltete sich jemand zu.
    »Hallo? Hallo, Tabea?«, meldete sich eine schwache Stimme. Es war einer der Zwillinge. »Mogul. Mogul ist …«
    Sarah stockte, murmelte zu jemandem, dann trat eine Pause ein. Tabea hörte stoßweises Atmen. Sie klopfte an ihren Helm. Sie hörte schwere Schritte, ein Durcheinander von Stimmen, eine davon gehörte Marco. »Sarah?«, rief sie. »Hörst du mich? Was ist mit Mogul?«
    »Ich bin schon in Ordnung«, sagte Mogul tapfer, zu nahe am Mikro. »Und du, Tabea?«
    »Einigermaßen«, sagte sie. »Alice ist …«
    Sie wusste nicht, was mit Alice war. Sie probierte es wieder. Der Hauptbildschirm flackerte, füllte sich mit konfusem Gestöber.
    Plötzlich wurden Stimmen laut im Frachtraum, dumpfe Schläge und Poltern.
    Sarah - Tabea war sich sicher, dass es Sarah war - stieß einen spitzen Schrei aus.

    »Sarah? Was ist los? Stimmt was nicht?«
    Sie hörte Sarah laut rufen: »Nein, nein, komm zurück!« Klappern, Knirschen, Gepäckstücke und Ausrüstung krachten zu Boden.
    »Sarah!«, rief Tabea.
    Marco brüllte, Sarah schrie. Mogul schrie. Tabea konnte kein Wort verstehen. Sie schlug auf den Druckschalter für das vordere Schott zum Frachtraum. Nichts rührte sich.
    »Ist bei euch alles in Ordnung?«, rief sie und drückte immer wieder den Sensor. »Was ist los bei euch?«
    Bestürztes Geschnatter, Anzeichen von Panik,

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