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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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neuen Weltraummythologie, und zwar durch all die Fremdrassen, die sich plötzlich in unserem Sonnensystem tummelten, in Schiffen, die äußerlich so grundverschieden waren wie ihre jeweiligen Insassen. Heutzutage sind wir an solche Dinge gewöhnt - an die wirbelnden, juwelenbesetzten Karusselle von Rigel, die quasiorganischen Modelle der Frasqui, die an Bienenstöcke oder Kokons von Insekten erinnern, an die palernische Sturmwind , die sich ganz im Widerspruch zu ihrem Namen eher
wie ein Wurstbündel ausnimmt. Aber wie groß mochte das Staunen gewesen sein, als zum ersten Mal die grandiose Raumarchitektur der Eladeldi ins Blickfeld geriet oder die leuchtende, einen Kilometer lange Nadel der Vespa Omicron .
    Um all dies begannen sich Theorien zu ranken, einige von ausgesprochen theologischem Naturell. Die Evangelisten der Totalen Verschmelzung erfassten all die Schiffe, die nach ihrer Überzeugung zu anderen Vasallenrassen der Capellaner gehörten, und wiesen ihnen im Lebensbaum der Kabbala Bereiche unterschiedlicher Gunstbezeugung zu und behaupteten, so etwas wie ein Prinzip der Metamorphose zu erkennen. Auch das Menschenschiff, so prophezeiten sie, würde all diese Stadien durchlaufen, ehe es sich zum endgültigen, transzendentalen Raumschiff entwickelt hätte. Dann erst, nach Äonen, auf dem Gipfel der Vollkommenheit, würden wir auch die letzten Mysterien des capellanischen Antriebs begriffen haben, und die unsichtbare Barriere jenseits des Pluto würde sich verflüchtigen. Dann, so argumentierte eine Irrlehre, hätte auch die Evolution des Menschen ihren Gipfel erreicht, und der Mensch sei zum Capellaner geworden. Dann habe sich die Weissagung der Totalen Verschmelzung erfüllt und alles, was die Rassen getrennt habe, gehöre der Vergangenheit an.
    Sie und ich, wir beide wissen, wie viel Wahrheit in diesen Mythen gesteckt hat. Immerhin haben die Evangelisten der Totalen Verschmelzung frühzeitig darauf hingewiesen, dass selbst ein so einfaches Schiff wie eine Bergen-Kobold bei jeder Grenzpenetration zwischen Hyper- und Normalraum einen winzigen Identitätsverlust erleidet. Die malträtierten Schiffspartikel kehren hernach nie wieder exakt in ihren usgangszustand zurück. Das wäre wahrhaftig zu viel verlangt von den Erhaltungssätzen. Manchmal fallen den Piloten solche Abweichungen auf und manchmal nicht,
denn ihre eigenen Partikel durchlaufen ja schließlich denselben Prozess.
    Was die Evolution des Menschen angeht, so kann ich mich nur an das halten, was ich an mir selbst beobachte. Aber die Alice Liddell , die habe ich gekannt - wahrscheinlich besser als jeder andere -, und ich kann mich noch gut an sie erinnern. Ich erinnere mich sehr genau an Alice , von Anfang an, vom dritten Jahr des Großen Schrittes an, als sie vom Stapel lief und getauft wurde. Denn sie war schon alt, als Tabea Jute sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam und ihr im hohen Gras jenes verwahrlosten Weinbergs die Persenninge herunterzerrte. Die bronzene Hülle war zerschunden und angelaufen vom rauen, kalten Brand des Weltraums. Der Reaktor war tot, die Hydraulik trocken und voller Spinnweben. Die Alice Liddell hatte gute Dienste geleistet und lag so mucksmäuschenstill da, wie ein Schiff nur still liegen kann - also in Wirklichkeit, wie ich bereits angedeutet habe, eben doch nicht ganz und gar still. Früher glaubte man (erlauben Sie mir eine letzte diesbezügliche Bemerkung), dass ein capellanischer Antrieb, einmal aktiviert, nie wieder ganz stillgelegt werden konnte, es sei denn, man zerstörte ihn oder ließ ihn sterben. Und ich? Wo war ich während der Zeit, da die Backenhörnchen durch das Stützgerüst der abgetakelten kleinen Kobold flitzten? Ich habe geschlafen.
    Das Schiff, das den Namen von Alice Liddell trug, war offengestanden reichlich primitiv. Es war technisch unbedarft, und es war wulstig. Ich entsinne mich, dass es ziemlich eng darin war. Das Cockpit bot zwei Leuten Platz, einem Piloten und einem Copiloten, für jeden gab es ein normales Null-G-Netz. Achtern lagen zwei kleine Einzelkabinen mit bescheidenem Stauraum für die persönlichen Sachen, eine winzige Kombüse und ein nicht minder winziger Waschraum. Von der Nase bis zum Schwanzende maß das Schiff knappe einundzwanzig Meter und quer dazu knapp die
Hälfte, die Stummelflossen inbegriffen. Die Nummer BGK009059 besagte, dass es eines der ersten Exemplare der Bergen-K-Klasse war, von jenen Kobolden, die unermüdlich im Sonnensystem herumgekreuzt waren, dies hierhin und

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