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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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der Zahl. Alle sieben waren Menschen. Nicht ein einziger Eladeldi war dabei. Das war ein Vertrauensbeweis. Oder, wie die allgegenwärtigen Zyniker hinter vorgehaltener Hand sagten: Verachtung.
    Diese sieben gaben der Station den Namen Plenty. Plenty sollte eine Kombination aus Steuerparadies, Servicepool und Heimat für unorthodoxe Geschäfte werden. Und sollten Letztere sich schon bald als eher anrüchig herausstellen und die Serviceleistungen
über das hinausgehen, was in den Gründungspapieren festgeschrieben war, nun, das war nicht anders zu erwarten bei einem Unternehmen, das sich frei und ohne capellanische Kontrolle entfaltete.
    Die Tiefkühlsarkophage füllten sich wieder, und die kommerziellen Sektoren dieser riesigen Kaverne glitzerten und flackerten in allen Farben; dabei gab es unter dem Dschungel von Dächern, die einander überlappten wie die höckrigen Schuppen eines Echsenpanzers, viele düstere Bereiche, die nur den fahlgrünen Schimmer dieser phosphoreszierenden Gebilde kannten, die dort überall an den Wänden wuchsen.
    Die lukrativste Funktion der wiederbelebten Orbitalstation sollte alsbald die eines exotischen Abenteuerspielplatzes sein. Touristengruppen, Überlebensjogger und extremistische paramilitärische Trainingskader wurden gegen eine ansehnliche Gebühr und auf eigene Gefahr in die unheimlichen und ungewissen Korridore von Plenty entlassen. Darunter gähnte nach beiden Seiten der ausladende Wulst der weiträumigen Dockanlagen. Sie lockten bereits die ersten Raumfahrer an, die es vorzogen, die ehrbaren und besser ausgeleuchteten Plattformen zu meiden.
    Als die Alice Liddell samt Käpt’n und jenem ungleichen Künstlerduo hier andockte, können wir uns Plenty als gigantisches, paralysiertes Habitat vorstellen, dessen Umfunktionierung noch in den Kinderschuhen steckte, ein einziges Provisorium also. Die Umrüstung war erst partiell vollzogen, in einigen Bereichen gänzlich fehlgeschlagen. Seltsame Geschöpfe und Geräte drückten sich im Halbdunkel herum. Woher sollte man wissen, ob hier nicht noch irgendwelche Prozesse schlummerten, ob man nicht hinterhältige Fallen oder mysteriöse und gefährliche Reflexe auslöste, wenn man sich Zutritt zu Gängen und Zellen verschaffte, die die Frasqui verriegelt hatten? Die Frasqui hatten keinen Reiseführer,
keinen Plan hinterlassen, den man als solchen hätte identifizieren können. Alles konnte passieren, gleich hinter der nächsten Biegung.
    Und es kommt immer eine Biegung. Einen rechten Winkel gibt es hier nicht. Plenty ist eiförmig und aus einer blättrigen Substanz gebaut, die sich noch am ehesten mit Horn vergleichen lässt. Die bucklige allgegenwärtige Glätte bestärkt einen in dem Gefühl, dass Plenty etwas Organisches ist - etwas, das erzeugt und nicht gebaut worden war.
    »Sieht aus wie eine gigantische Schildkröte«, meinte Marco Metz. »Findest du nicht? Wie die Schale einer humungischen Riesenschildkröte.«
    Tabea war beeindruckt von dem Vergleich, aber sie erwiderte nichts. Sie wollte sich auf nichts mehr einlassen. Falls Plenty eine schlummernde Riesenraumschildkröte war, konnte die jeden Moment ihren riesigen Kopf herausstrecken und sie, Alice und alles andere hier verschlingen. Sie wollte nicht hier sein. Innerlich entfernte sie sich bereits rasch von Marco und seinem papageienartigen Freund. In einem Winkel ihres Hirns nagte eine ängstliche Stimme: Du machst einen Fehler, Tabea, einen Fehler, Fehler, Fehler. Sie ignorierte die Stimme, weil sie das Geld brauchte. AUSFALLWAHRSCHEINLICHKEIT 50 PROZENT, sagte die Stimme. Sie ignorierte die Stimme, weil sie in das schwarze Maul der Schale hineinsteuern und geradewegs in den Schlund hinuntermusste. Sollte sie vorher nur so getan haben, als sei sie unabkömmlich, so hatte sie jetzt wirklich alle Hände voll zu tun.
    Sie hing vor dem gähnenden Oval. Ein Schillern trat zwischen die gekräuselten Lippen der Station, und der Energievorhang teilte sich.
    Wie ein Blatt, das in den finsteren Gulli wirbelt, so schoss die Alice Liddell aus der Leere des Raums in eine Schattenwelt. Riesige Scheinwerferbatterien waren auf den Grund der weiten Kaverne gerichtet, doch sie richteten wenig gegen die Dunkelheit aus. Mit hoher Verzögerung
überflog Tabea eine Szenerie düsterer Industrieanlagen, stygisch und dreckig, als handle es sich um eine Waffenschmiede der Hölle. Zwischen gewundenen Zubringerlinien waren insektenartige Maschinen unterwegs, während schmutzige Drohnen und lebendige

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