Sternendieb - Roman
Seite an und mobilisierte alles, was sie an Empörung aufzubieten hatte. Dieser überdimensionale, schwarz verchromte Fötus hatte seine Rückgratverlängerung in ihre Konsole gesteckt. Dieses Geschöpf und seine wahnwitzigen Gefährten hatten ihr Schiff gerettet, womöglich hatten sie ihr sogar das Leben gerettet, ganz bestimmt aber hatten diese Irren sie und die Alice dabei in unsägliche Schwierigkeiten gebracht.
Und mitten in diesem tobenden Schlamassel stellte Tabea sich die Frage, was in drei Teufels Namen dieses Geschöpf wohl nach Plenty verschlagen hatte und wieso es sich mit dieser ausgepowerten und durchtriebenen Clique herumtrieb. Warum war es nicht zu Hause in seinem Tempel, wo es in Frieden leben und mit seinesgleichen an der nächsten Stufe seiner apokalyptischen Evolution arbeiten konnte? War dieser Cherub vielleicht irgendein ausrangierter Prototyp? Hatte er irgendeinen hässlichen Defekt, einen genetischen Makel, der ihn zum Außenseiter stempelte? Bestimmt hätte man ihn dann neu konditioniert, umprogrammiert oder wenigstens recycelt. Oder hatte er einfach nur seinen Stall verlassen, war durchgebrannt, hatte sich davongemacht, wie manche Menschenkinder das auch heute noch tun, weil sie sich nach einer authentischeren und weniger antiseptischen Lebensweise draußen in der rauen Wirklichkeit sehnen? War dieser Cherub so etwas wie ein Gammler? War er am Ende ein Spion?
Bevor Tabea den Blick abwenden konnte, hatte er sich herumgedreht und sah sie an. Die kirschroten Äugelchen sprühten, und die
schwarzen schimmernden Lippen entblößten winzige, perfekte Zähnchen aus schwarzer Emaille.
Xtaska lächelte.
29
»Ihr hirnverbrannten Idioten!«
Ihre Stimme überschlug sich. Aufrecht und bebend vor Wut erreichte Tabea den obersten Absatz der Cockpittreppe.
Da unten standen sie und blickten hoch, als sei sie die neue Attraktion, mit der sie ihr Programm zu bereichern gedachten. Da standen die Zodiak-Zwillinge, ein jeder den Arm um die Taille des anderen, die Füße in ein und derselben Schlaufe, zwei Versionen ein und derselben Person, als ob eine nicht vollauf gereicht hätte. Da stand Marco Metz mit blutverschmierter Nase, mit verschnörkeltem Haarschopf und versengten Brauen. Hoffentlich war das nicht alles, was er abbekommen hatte. Wieso war der Kerl nicht längst tot? Und wo war Talo? Im Augenblick war es ihr schnurzpiepegal, wo Talo war.
Der Einzige, bei dem ihr das nicht schnurzpiepegal war, war Xtaska, der noch immer den Pilot spielte.
Tabea grapschte eine Faustvoll von dem Netz, ihrem Netz. »Ich übernehme jetzt«, befahl sie.
Der Cherub reagierte nicht.
»Nun komm schon!« Tabea schaukelte an dem Netz. »Raus hier!«
Marco kam geschwommen und breitete die Arme aus. »Schatz, lass es gut sein«, sagte er beschwichtigend. »Reg dich ab. Uns ist nichts passiert. Alles ist in bester Ordnung!«
Sie wirbelte herum und drohte mit dem Zeigefinger vor seinem Gesicht.
»Ich bin nicht dein Schatz, Marco Metz, du kannst mich mal, hörst du?«
Die Zwillinge kamen heraufgeschwommen, flankierten sie und hielten sie zurück.
»Du hättest uns beinah alle umgebracht!«
Er breitete die offenen Hände aus. »Wir sind alle da, Tabea, wir leben, das Schiff ist heil, was regst du dich auf?«
»Das werden wir ja sehen, ob das Schiff heil ist! Kapiert? Jetzt raus hier! Alle!«
Tabea stieß sich von den Schultern der Zwillinge ab; der Stoß ließ die beiden hintenübergehen und trug Tabea rücklings zur Konsole. Sie zog sich an einer Monitorhalterung hoch, bis sie mit angezogenen Knien über der Konsole und dicht an der Sichtscheibe hing. Sie tauchte vornüber, packte den Schwanz des Cherubs und zog ihn mit einem Ruck aus der Steckfassung.
Das Schiff schlingerte geringfügig.
Mit einem Fuß verankert, öffnete Tabea mit der einen Hand die Netzverschlüsse und zerrte mit der anderen an Xtaskas Schwanz.
»Oh, tu das nicht«, sagte Sarah, die sich an einem Handgriff aufrichtete. Ihr Haar schwamm ihr wirr um den Kopf. »Du tust ihr weh«, protestierte sie.
Doch der Cherub war der Situation gewachsen. Mit einer kleinen, peitschenden Bewegung befreite er seinen Schwanz aus Tabeas Hand und schnellte sich aus dem Netz. Mühelos schwamm er an ihrem Gesicht vorüber und tauchte zwischen den Zwillingen hindurch die Stiegen hinunter und verschwand in dem Gang, der zum Frachtraum führte. Er bewegte sich, als sei er für die Schwerelosigkeit geboren, und das war seinesgleichen ja auch.
»Hinaus!«,
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