Sternendieb - Roman
lassen.«
Die Computer begannen zu arbeiten. Tabea legte sich zurück und streckte sich aus. Als sie die Augen schloss, sah sie rote Leuchtflecken vor einem fahlgrünen Hintergrund schwimmen. In einem Winkel ihres Hirns heulte immer noch die Sirene des Merkur-Palastes und peitschten immer noch die Strahlen und Geschosse der schießwütigen Kecks und Bullen durch die Luft.
Jesus, war sie müde. Sie stellte sich vor, wie sie duschte, in einem richtigen Bett lag, zwischen sauberen, frischen Laken. Doch nur die Gerechten schliefen, in Reih und Glied auf Eis und in weißen
Stahlsärgen, in einer frostigen Höhle, die zuweilen eine sonnige Waldlichtung, manchmal ein Schlafzimmer voller Antiquitäten und Kerzenlicht war. Da lagen sie mit Elektroden in den Augäpfeln und sahen sich Videos an und warteten auf den Tag der Wiederauferstehung. Keine lauten Geräusche, keine mordgierigen Fremdlinge, keine androgynen Akrobaten, keine Cherubim, keine Polizisten. Man brauchte bloß zu sterben, das war alles. Ein guter Handel, wie es schien.
Widerwillig schlug sie die Augen auf. Sie lag mutterseelenallein im Cockpit der Alice Liddell , und ringsum summte alles seelenruhig vor sich hin. Sie lauschte. War da ein Geräusch? Ein unregelmäßiges Klopfen, das Geräusch eines Achsenstabilisierungskristalls, der Spiel hatte in seinem Gehäuse?
Nein. Kein solches Klopfen. Aber dafür das Geräusch der Frachtraumschleuse.
Tabea drehte sich um. Marco stand am Fuß der Treppe und sah zu ihr herauf.
»Hallo«, sagte er.
»Sei bloß still«, sagte sie. Sie wandte sich wieder der Tastatur zu und schloss der Alice den Mund.
»Ich wollte nur mal nachsehen, ob alles in Ordnung ist«, sagte er. »Und dir das geben.«
Er zog sich die Stiegen hoch und kam neben ihr zum Stillstand, in voller Länge auf der Luft liegend, und hielt ihr die Kreditmarke unter die Nase.
Tabea nahm sie rasch an sich, ehe sie wieder verschwinden konnte. »Ich hoffe doch, man kriegt was dafür?«
»Ein paar hundert«, sagte er.
Sie schloss die Augen und lehnte sich im Netz zurück. »Fünfzehn?«
»O nein, nein. Fünf vielleicht.«
»Du schuldest mir fünfzehnhundert, Marco, fünfzehn, eher zweitausend, jetzt, wo du mein Schiff demoliert hast.«
Sie zeigte auf die Liste der Schadensmeldungen, die noch auf dem Bildschirm stand. Er las und tat so, als verstehe er, was er da las, doch sie merkte, dass er sich nicht wirklich konzentrierte. Er sah auf und sah zum Sichtfenster hinaus.
»Was hast du vor?«
»Alice reparieren lassen. Sie bekommt den neuen Kristall eingesetzt. Und auftanken.«
»Besser erst auftanken«, sagte er. »Für alle Fälle.«
Sie fluchte, aber er hatte recht.
Er deutete mit dem Kopf auf die Marke, die Bewegung ließ seinen hingestreckten Körper pendeln. »Das reicht doch, um uns zum Titan zu bringen? Wir fliegen zum Titan, ja?«
»Hab ich eine andere Wahl?«
»He«, sagte er, drehte sich behände um seine kurze Achse und trieb vorwärts. »Sag nicht so was. Das hat keiner von uns gewollt, das weißt du. Du warst prima.« Er ließ sich auf dem Rand der Konsole nieder.
»Runter da!«
»Schon gut, schon gut.« Er stieß sich ab und grapschte nach einer Schlinge.
»Wie lange brauchen wir?«
»Zur Servicestation?«
»Bis zum Titan. Das ist ein Mond des Saturn.«
»Ach nee.«
Sie zog eine Tastatur heran und tippte darauf herum. »Gut einen Monat.« Das waren keine erfreulichen Aussichten.
»Subjektiv?«
»Kennst du einen kürzeren Weg?«
»Ich meine, einschließlich Sprung?«
Sie seufzte irritiert.
Er steckte einen Finger durchs Netz und sagte sanft: »Dein Haar ist hier ein bisschen versengt, weißt du das?«
»Nimm die Finger weg, Marco!«
Er hob die Hände. »Schon gut. Ich hab verstanden. Du willst es so und nicht anders. Gehab dich wohl. Ich gehe. Ich will nur wissen, ob das jetzt bis zum Titan reicht?«
»Ja, das reicht fürs Erste. Vorausgesetzt, es sind fünfhundert.«
»Und die Reparaturen? He, sieh mal da!«
Am Bug auf der Steuerbordseite glitt eine Mülldrohne vorbei. Ihre Arme wirbelten nur so, während sie den Abfall der Raumschiffe verschlang.
»Es reicht also für die Reparatur der Außenkameras und für den neuen Kristall?«
»Es müsste so gerade.«
»Also ist der Handel perfekt!«
Sie warf ihm einen giftigen Blick zu. »Du hast Schulden bei mir, Marco. Du hast mich in diese Lage gebracht.«
»Den Keck hast du in den Kanal geschmissen, nicht ich.«
»Alles, was danach passiert ist, geht auf deine
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