Sternenfaust - 020 - Verschwörung in der Hohlwelt
hatte sie nun schon so oft gesprochen, aber zu keiner Zeit hatte er ihr echtes Antlitz zu sehen bekommen. Immer war sie von Vorhängen, Schleiern, Gittern von ihm und auch ihren Anhängern getrennt gewesen. Deshalb nannte man sie ja auch »die Geheimnisvolle«, und bis gerade eben hatte er die Verhüllung, die Verschleierung der Hohepriesterin des Raral-Kults auch ohne Fragen akzeptiert.
Als neuer Kaiser jedoch – auch wenn er dieses Amt Shonangas Hilfe und Beratung zu verdanken hatte – empfand er einen Anflug von Verärgerung darüber, dass ihn die Geheimnisvolle im Grund genauso behandelte wie jeden anderen ihrer Anhänger.
Als Kaiser stand ihm, dessen war er sich gewiss, das Recht zu, ihr Geheimnis zu kennen. Kuchta war sich auf einmal sicher, dass er ihre Beziehung zueinander auf eine neue Ebene bringen musste. Ihr Rat war bisher sehr gut und unverzichtbar gewesen. Warum sollten sie sich weiterhin im Geheimen treffen? Und immer nur dann, wenn Shonanga es wollte …
Das würde er ab sofort ändern. Er würde ihr und ihrem Gefolge Platz im kaiserlichen Palast verschaffen, und er würde sie dann zu sich holen und ihren Rat erfragen, wenn er sie brauchte. Und vor allem würde er – wenn er schließlich alleine mit ihr sprach – von ihr verlangen, die alberne Maskerade fallen zu lassen. Mochte sie ihren Anhängern gegenüber weiterhin die Geheimnisvolle spielen. Unter vier Augen wollte er ihr Gesicht sehen, selbst wenn er dazu gezwungen sein würde, ihr gewaltsam den Schleier vom Kopf zu reißen …
Kaiser Kuchta erhob sich aus dem reich verzierten Sattel seines Ruschtus und richtete sich auf. Mit einer herrischen Geste winkte er zwei Ordonanzen zu sich heran, die sich augenblicklich beeilten, an seine Seite zu reiten. Während die krallenbewehrten Füße der Laufvögel mit ihrem typischen Klacken und Scharren über das Pflaster eilten, beugte sich der Kaiser zu den beiden Ordonanzen und erteilte ihnen seine Befehle. Dabei sprach er gerade so laut, dass sie ihn verstehen konnten, der Rest seiner Begleitung aber nichts davon mitbekam.
Die beiden jungen Offiziere nickten. Sie rissen ihre Ruschtus herum und verließen auf der Stelle den kaiserlichen Tross. Nur wenige Schritte ritten sie noch gemeinsam, dann trennten sich auch ihre Wege …
*
Zum Glück hatte ihn der Adjutant des Kommandanten noch rechtzeitig warnen können. Doch jetzt, nachdem es Schirrban und seinen beiden Begleitern gelungen war, die Kaserne unauffällig zu verlassen, waren sie in den Weiten der Steppe auf sich gestellt.
Die Region war ideal für Manöver der Ruschtu-Kavallerie, da die großen Laufvögel hier in der Ebene mit ihren niedrig wachsendem Gestrüpp und dem sandigen Boden ihre größte Geschwindigkeit entwickeln konnten. Die sanften Senken und kaum mannshohen Hügel boten aber keinerlei echten Sichtschutz. Und wenn es so trocken war – wie derzeit –, verriet zudem eine hoch aufwirbelnde Staubfahne jeden Reiter schon auf weite Entfernung.
Sie waren ein ausgetrocknetes Flussbett entlanggeritten, das zumindest den Vorteil bot, nicht ganz so staubig zu sein, wie die übrige Steppe. Aber auch hier boten sich die drei Reiter dar wie auf einem Präsentierteller.
Zu viel war in den letzten Rutan-Phasen geschehen, als dass sich Schirrban noch irgendwelcher Illusionen hingab.
Die Situation hatte sich grundlegend verändert. Ihm war bewusst, dass es für ihn unter einem Kaiser Kuchta keinen Platz mehr gab.
Kein Wölkchen trübte den Himmel, als das Aufklärungsluftschiff in großer Höhe und mit gedrosseltem Motor über sie hinwegglitt und sie entdeckt wurden. Obwohl sie noch versucht hatten, sich zwischen dem trockenen Gebüsch an der Uferböschung zu verstecken, hatten ihre Verfolger sie mittels ihrer scharfen Fernrohre längst ausgemacht.
»Zu spät«, murmelte Schirrban resigniert, »alles zu spät. Kuchta hat gute Leute. Ich hätte es an seiner Stelle genauso gemacht. Große Höhe, langsame Fahrt, deshalb fast lautlos laufende Motoren, die wir erst viel zu spät hören können …«
»Aber bis sie aus der Höhe heruntergekommen sind, vergeht noch reichlich Zeit«, versuchte Mreschtil, einer seiner beiden Begleiter den Admiral zu beruhigen. »Das können wir doch nutzen!«
Sein Einwand klang beinahe trotzig. Schirrban musste unwillkürlich lächeln, obwohl ihm keineswegs heiter zumute war. Als er im Alter seiner Begleiter gewesen war, hatte auch er sich geweigert, aussichtslos erscheinende Situationen einfach
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