Sternenfaust - 024 - Die letzte Schlacht der Kridan
Volkes. Die Tanjaj und die Priesterschaft führen schon so lange eine diktatorische Herrschaft zu unserem Nachteil, dass ich einfach sichergehen wollte, dass du dich nicht auch zu einem Mann ihrer Couleur entwickelst und ebenso rücksichtslos handelst.«
»Das liegt mir fern!«, versicherte Satren-Nor und war froh, dass Mertal-ku offensichtlich doch nicht der Usurpator seiner Sache und potenzielle Feind war, den er zuerst in ihm vermutet hatte. »Wie geht es deinem Schützling, dem Raisa-Kandidaten?«
»Es geht ihm gut«, antwortete der Alte. »Ich habe ihn in der Obhut eines vertrauenswürdigen Mannes gelassen.
Er ist ein junger Priester und heißt Seri-Fan. Er stammt aus dem Gefolge von Lajton-Dor.«
»Ein Priester aus Lajton-Dors Gefolgschaft?«, wiederholte der Prediger ungläubig. »Des Oberpriesters aller Kridan?«
»Desselben«, bestätigte Mertal-ku. »Sei unbesorgt. Er ist absolut vertrauenswürdig. Außerdem ist es immer gut, ein Ohr bei unseren Gegnern direkt an der Quelle zu haben. Seri-Fan ist ein wertvoller Informant und wird uns noch sehr nützlich sein, sobald die alte Regierung gestürzt ist. Abgesehen davon wissen wir beide, dass ich nicht ewig lebe. Meine Zeit wird vielleicht schon bald kommen, auch wenn ich«, fügte er mit leicht amüsiertem Ton hinzu, »noch lange keine 125 Jahre oder noch älter bin.«
Er wurde wieder ernst. »Du kannst dir meiner Unterstützung in allem absolut sicher sein, Satren-Nor«, versicherte er. »Mein einziges Bestreben ist es, meinem Volk zu dienen, so gut ich kann, und ihm zu einer glücklichen Zukunft zu verhelfen.«
»Darin sind wir uns einig!«, stimmte der Prediger inbrünstig zu. »Ich danke dir, Mertal-ku.«
Der Alte machte eine bescheidene Geste und verabschiedete sich. Pan-Sen trat zu Satren-Nor. Er hatte die Unterhaltung der beiden mitbekommen.
»Ich traue ihm nicht«, stellte er fest.
Der Prediger blickte ihn erstaunt an. »Warum nicht? Glaubst du, er ist ein Spion der Tanjaj?«
Pan-Sen zögerte. »Nein, das wohl nicht«, antwortete er schließlich. »Sonst hätte heute keiner von uns dieses Treffen überlebt. Aber ich bin nicht von der Lauterkeit seiner Motive überzeugt. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass er nicht der ist, der er vorgibt zu sein.«
*
Mertal-ku suchte seinen Weg zurück zu seiner Wohnung in einem ärmlichen Viertel. Er ging nicht auf dem direkten Weg, sondern machte Umwege, hielt hier und da an, um zu verschnaufen, wie es schien und vergewisserte sich unauffällig, dass ihm niemand folgte. Im siebenten Stock des schmucklosen Gebäudes betrat er eine kleine Wohneinheit, die kaum möbliert war und seltsam unbewohnt aussah.
Der Alte streifte seine schlichte Kleidung ab und trat in die winzige Hygienezelle. Geschickt holte er zwei hauchdünne Linsen aus seinen Augen und legte sie zurück in ihre verborgene Schatulle. Darunter kamen die klaren Augen eines noch recht jungen Kridan zum Vorschein. Anschließend wusch er sich die Schminke aus dem Gesicht, die ihm das Aussehen eines alten Mannes gegeben hatte.
Zum Schluss warf er sich das Gewand eines Priesters über, und gleich darauf verließ Seri-Fan das Haus auf einem anderen Weg, als Mertal-ku es betreten hatte.
Während er durch die Straßen ging, weilten seine Gedanken bei der Versammlung. Es war nicht so gelaufen, wie er sich erhofft hatte. Als der Prediger vor Monaten verschwunden war – ins Exil, wie es hieß; tot, wie viele glaubten – hatte sich Seri-Fan zum Verkünder aufgeschwungen und die Nachfolge angetreten. Er hatte die Massen der Unzufrieden ebenso bewegt wie Satren-Nor, sodass es zu Gründungen immer neuer Zellen und Gruppen gekommen war und die Bewegung ständig wuchs.
Sein Plan war gewesen, diese unter seiner Führung zu vereinen. Mit dem angeblich echten neuen Raisa in seiner Obhut glaubte er, dieses Ziel mit Leichtigkeit erreichen zu können.
Aber da war der Prediger überraschend aus dem Exil zurückgekehrt – und die Gruppenführer ebenso wie die breite Masse seiner Anhänger schaute wieder zu ihm auf und erwartete von ihm Führung, nicht von Mertal-ku.
Der Trumpf des zweiten Raisa hatte sich in diesem Punkt als nutzlos erwiesen. Denn Satren-Nor, das hatte Seri-Fan heute ganz klar erkannt, besaß etwas, das dem alten Mertal-ku ebenso fehlte wie dem jungen Seri-Fan: eine Präsenz, die ihn selbst dann noch aus der Masse herausragen ließ, wenn er im Hintergrund saß und gar nichts tat. Dagegen stach auch der Raisa-Trumpf nicht.
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