Sternenfaust - 028 - Die Geister von Arkison
ein Volk von Bergarbeitern. Der größte Reichtum unserer Rohstoffe lag und liegt teilweise heute noch im Erdinnern. Damals war es zeitraubend und sehr anstrengend, jeden Tag mehrmals von der Außenwelt in die Stollen zu gehen und umgekehrt, weil die ergiebigsten Abbauflöze sehr tief lagen. Deshalb entstand eines Tages vor gut tausend Jahren eine Siedlung tief unter der Erde, eine vollkommen eigenständige Stadt, die von den Bergarbeitern bewohnt wurde. Das ist die Vorgeschichte.«
»Und Sie glauben, dass unsere verschwundenen Leute in dieser unterirdischen Siedlung sind?«, vermutete Lester Ramirez.
Paan nickte. »Die Geschichte ist allerdings noch nicht zu Ende. Zur selben Zeit etwa, als die Stadt im Berg sich etabliert hatte, geschah etwas, das von denen, die darüber wissen, nur noch als die Schande bezeichnet wird. Nicht einmal die Geheime Sicherheit weiß heute noch Genaues darüber, obwohl natürlich Gerüchte kursieren. Das plausibelste lautet, dass eine Gruppe von Revolutionären versuchte, die damalige Regierung zu stürzen. Und wenn Sie sich die Mühe machen, in unseren – zensierten, wie ich zugeben muss – Geschichtsbüchern darüber nachzulesen, werden Sie erfahren, dass die Regierung jener Zeit alles andere als beliebt war und es deswegen Unruhen im Volk gegeben hat.«
»Und was hat man mit den Rebellen gemacht?«, fragte Kumara gespannt.
»Sie wurden allesamt zu Verbrechern gegen das Volk und die Regierung erklärt. Und wenn Sie inzwischen ein bisschen über die arkisonische Mentalität gelernt haben, werden Sie wissen, dass ein solcher Vorwurf eine schlimme Ehrverletzung für uns darstellt, ganz besonders dann, wenn er gerechtfertigt ist. Wir waren damals schon ein friedliebendes Volk, dem Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit über alles geht. Nichts beleidigt uns mehr, als wenn einer von uns ein Verbrechen begeht.«
»Daher die Schande «, vermutete Kumara, und Paan nickte.
»Die damalige Regierung fand eine Lösung, allerdings eine, die sie dem Volk vorenthielt. Die Bergarbeiter wurden aus der Stadt im Berg evakuiert und die Revolutionäre zusammen mit allen anderen Arkisonen, die sich irgendetwas hatten zuschulden kommen lassen, dorthin verbannt, damit sie bis ans Ende ihrer Tage dort unten leben sollten. So lautete jedenfalls die offizielle Erklärung.«
»Und was geschah in Wirklichkeit?«, fragte Raga Fall.
Muluk Paan sah sie ernst an. »Der – damals noch offiziell existierende – Ordnungsdienst trieb sie mit Gewalt in die Siedlung, sprengte alle Ausgänge über mehrere Kilometer bis an die Oberfläche und schmolz das eingestürzte Gestein zu einer festen, undurchdringlichen Schicht zusammen.«
»Wollen Sie damit sagen«, fragte Kumara fassungslos, »dass man die Leute da unten … bei lebendigem Leib quasi eingemauert hat?«
Paan nickte. »Genau das. Und man ging davon aus, dass sie nach Ablauf einer gewissen Zeit alle verhungert sein würden. Die Explosionen der Sprengungen waren absichtlich so virtuos gestaltet, dass sie mächtiges Aufsehen erregten. Und das gab der Regierung die Möglichkeit zu verkünden, dass das ein Werk der Götter sei, die damit die Schande bestraft und ausgemerzt hatten, auf dass nie wieder ein Arkisone ein Verbrechen begehen sollte.«
»Das ist ja grauenhaft!«, fand Kumara.
»Der Meinung waren einige derjenigen, die damals die Wahrheit kannten, auch. Aber im Interesse des inneren Friedens kam man überein, dass das Volk diese Wahrheit niemals erfahren dürfe.«
»Aber es hat doch seitdem wieder Verbrechen gegeben«, wandte Ramirez ein. »Was passiert mit den Verbrechern?«
»Die Geheime Sicherheit lässt sie entführen und töten. Offiziell wird auch das den Göttern zugeschrieben, die höchst persönlich die Vermissten zu sich in ihr Reich geholt haben, damit sie ihnen dienen.« Er schnaufte bitter. »Und die Familien der Ermordeten sind auch noch glücklich über die Ehre, die ihnen damit zuteil wird.«
»Und niemand ist bis jetzt hinter die Wahrheit gekommen?«, vergewisserte sich Fall.
»Nein. Falls eine Entführung bemerkt wird – und das kommt immer wieder mal vor – werden diejenigen, die das Pech hatten, Zeugen zu sein, zusammen mit dem eigentlichen Opfer beseitigt. Sicher verstehen Sie, welche Folge es haben würde, wenn das Volk das erfährt. Es würde einen Aufstand geben, den nicht einmal die gesamte Geheime Sicherheit niederschlagen könnte.«
Die drei Menschen mussten das erst einmal verdauen. »Aber was hat das mit unseren
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