Sternenfaust - 032 - Sieben dunkle Welten
reduziertem Stoffwechsel nicht mehr kräftig genug war, um sich mit Angehörigen aller sechs anderen Geschlechter, die es bei den Fash’rar gab, zu verbinden, blieb der Betreffende ohne Nachwuchs. Für die meisten Fash’rar war dies eine Horrorvorstellung, die selbst die Angst vor dem Tod noch weit in den Schatten stellte.
Einige wenige zogen es sogar vor, sich bereits in jungen Jahren in der Wüste zu vergraben, um auf diese Weise ihr Leben in einem weit in der Zukunft gelegenen Flutzyklus fortzusetzen. Doch die Gesetze der Priesterschaft missbilligten dies. Zumeist wurde diese Praxis auch nur von Fash’rar geübt, die mit ihrem gegenwärtigen Leben unzufrieden waren. Manchmal waren es Individuen, die aus irgendeinem Grund zu Außenseitern der Fash’rar-Gesellschaft geworden waren und sich eine bessere Existenz in einer Zukunft erhofften, in der – abgesehen vom langlebigen Mutanten-Herrscher – niemand mehr existierte, den sie kannten.
Oberpriester Rewsay stülpte die wulstigen, feucht glänzenden Fischlippen nach außen. Dabei handelte es sich um eine Geste der Ehrerbietung gegenüber dem noch namenlosen Herrscher. Dieser klatschte seine kindlichen Flossen gegeneinander, dass es patschte und der Chor der Schmatzlaute von ihm umgebenden Unterpriester dadurch beinahe aus dem Takt zu kommen drohte.
Innerhalb der nächsten Zyklen würde der Herrscher zu gewaltiger Größe heranwachsen. Die meisten seiner Vorgänger waren gegen Ende ihrer Existenz nicht mehr in der Lage gewesen, sich auf eigenen Beinen zu bewegen. Ein unrühmlicher Herrscher der Vergangenheit, dessen Name nicht mehr genannt wurde, weil er als Synonym des Unglücks galt, hatte den Zeitpunkt seines Eingrabens so weit hinausgezögert, dass er vorher am eigenen Gewicht erstickte und damit ohne die Möglichkeit starb, Nachwuchs zu zeugen.
Ein Unterpriester betrat jetzt die Halle. Er verneigte sich, stülpte ebenfalls ehrfurchtsvoll die Lippen nach außen und näherte sich dem Oberpriester dann in gebeugtem Zustand.
Der kleine Herrscher patschte derweil noch einmal seine oberen beiden Flossenpaare zusammen und tauchte dann in den feuchten Sand hinein. Der Chor verstummte daraufhin.
»Ehrwürdiger Oberpriester, unsere Gäste warten in der Empfangshalle«, verkündete der Unterpriester in wohl gesetzten Schmatzlauten.
Rewsay wandte den schuppenbedeckten Kopf in seine Richtung. An den geöffneten Poren zwischen den Schuppen, aus denen hier und da ein paar Tropfen Körpersekrete hervortraten, sah der Oberpriester, dass sein Gegenüber durch irgendetwas in ein Stadium höchster Erregung versetzt worden war.
»Was ist noch, Ganatizu?«, ragte Rewsay.
Der Unterpriester gehörte einem für seine übermäßige Erregbarkeit berüchtigten Geschlecht an, sodass Rewsay diese äußeren Zeichen noch nicht sonderlich alarmierend fand.
Ganatizu schnappte nach Luft und verwechselte dabei für einen Augenblick wohl die Lungen mit den Kiemen, sodass sein Kopf dunkel anlief.
»Das Orakel«, äußerte er in gestammelten, sehr hektisch und abgehackt wirkenden Schmatz- und Zischlauten. »Der Oberwächter sagt, dass es möglicherweise sprechen wird …«
»Das Orakel hat seit vielen Flutzyklen nicht mehr gesprochen …«
»Aber wir wissen aus unseren Überlieferungen, dass es noch zu Lebzeiten des Herrschers Asazunu Botschaften der Toten Götter aus dem Jenseits übertragen hat!«
»Dann richte unserem Sprecher Asgashlan aus, er möge die Gäste zuvorkommend behandeln und sie unterhalten, bis ich selbst beim Orakel gewesen bin.«
»Jawohl, Oberpriester. Gepriesen sei der Schlick, aus dem dein Ei geborgen wurde!«
»Gepriesen sei der Wüstensand, in den deine Vorfahren sich eingruben«, erwiderte Rewsay diese sehr traditionelle, aber innerhalb der Priesterschaft durchaus nicht unüblichen Verabschiedungsformel.
Der Unterpriester verneigte sich abermals und tiefer als je zuvor und verließ den Raum.
*
Kurz nachdem die Fähre gelandet war, hatte Michael Tong über einen geschützten Kanal noch einmal Kontakt zur NEPTUN.
Es war Ortungsoffizier Derek Batista, der sich gemeldet hatte. »Captain, wir haben jetzt ein klareres Bild von dem, was dort stattfindet. Die Resonanz wird durch Signale erzeugt, die sich ähnlich wie der Bergstrom-Funk verhalten.«
»Lassen sie sich entschlüsseln?«, fragte Tong.
»Bislang noch nicht. Und ich bezweifle, dass wir mit unserer Technik tatsächlich die Möglichkeit bekommen, mehr als nur Bruchstücke davon zu sichern.
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