Sternenfaust - 032 - Sieben dunkle Welten
Fash’rar-Herrscher gesucht wurde, war im Vergleich zu einem Menschen – geschweige denn zu einem Mantiden! – unvorstellbar groß. Den Priestern war es möglich, an Hand gewisser Merkmale vorherzusagen, ob ein befruchtetes Fash’rar-Ei die Merkmale der Mutation in sich trug. Es gab eine Fehlerquote, aber im Prinzip war die Bestimmung der heiligen Mutanten sehr sicher.
Natürlich wurde auch hier nach dem Prinzip größtmöglicher Sicherheit für den Fortbestand der kulturellen Kontinuität gehandelt. Mit den aufgefundenen Mutanten-Eiern ging man noch sparsamer um, als mit gewöhnlichen Fash’rar-Nachwuchs. Die meisten dieser Eier wurden zunächst in einem heiligen Schrein konserviert, um sie für den Fall der Fälle immer parat zu haben.
Und während sich der auserwählte Herrscher im warmen, feuchten Sand etwas herumwälzte und tatsächlich den Fischkopf an die Oberfläche reckte, gab es in einem anderen Gebäudekomplex der Residenz ein zweites Fash’rar-Kind, das sich exakt im selben Entwicklungsstadium befand.
Der neue Herrscher wird es ertragen müssen, notfalls ersetzbar zu sein! , überlegte Rawsay.
Die Gesetze waren hart. Die Geschichte der Fash’rar hatte einfach gezeigt, dass es stets zu verhängnisvollen Verwicklungen geführt hatte, wenn es mehr als einen langlebigen Mutanten gab. Es war in der Vergangenheit bereits zu schrecklichen Bürgerkriegen gekommen, weil der Ersatz-Herrscher versucht hatte, einen rechtmäßigen Herrscher aus dem Weg zu räumen.
Daher wurden die Zweit- und Drittmutanten vernichtet, sobald der Herrscher dazu in der Lage war, die Regierung tatsächlich auszuüben und sich als fähig erwiesen hatte.
Es gab für Rewsay kaum einen Zweifel daran, dass sich der im Sand spielende und sich immer wieder an die Oberfläche grabende Herrscher prächtig entwickeln würde. War einmal klar, dass man den Ersatz nicht brauchte, war dessen Schicksal natürlich besiegelt.
Der fischartige Kopf des kleinen Herrschers schaute jetzt aus dem Sand hervor, der durch eine in den Wagen integrierte Sprinkleranlage ständig feucht gehalten wurde. In diesem Moment setzte ein Sprechgesang aus Schmatzlauten ein, den ein Chor von Unterpriestern intonierte, die aus spirituellen Gründen nur aus Angehörigen der Geschlechter Nummer 3, 4 und 7 rekrutiert wurden.
Der kleine – noch namenlose – Herrscher schien sich über den Gesang zu freuen, denn er stieß entsprechende Gluckslaute aus. Seine sechs Extremitäten waren noch unvollständig ausgebildet und erinnerten mehr an Flossen. Noch fehlten die Greifhände an den Enden, die sich erst im Alter von frühestens zehn Planetenumläufen bildeten und als äußeres Zeichen der Reife galten – zumindest bei Geschlecht Nummer 1, dem der Herrscher stets zu entstammen hatte.
Die Fash’rar-Jungen sämtlicher sieben Geschlechter waren zwar von dem Augenblick an, da sie ihrem Ei entschlüpften, vollkommen überlebensfähig und konnten notfalls auch ohne die Aufzucht durch Erwachsene auskommen. Aber wenn dies geschah, ging natürlich die kulturelle Prägung verloren. Sprache, Technik und Kultur mussten neu erfunden werden, was in der durch die Fluten geprägten Geschichte dieses Volkes schon einige Male vorgekommen war.
Der Flutgott war unberechenbar.
Niemand wusste, wann die heißen Wassermassen wieder an die Oberfläche kamen, in gigantischen Fontänen und mit ungeheurem Druck emporspritzten, um schon nach kurzer Zeit weite Gebiete mit seichten Süßwassermeeren zu bedecken.
Jetzt, da sich das Wasser bereits wieder auf breiter Front zurückzuziehen begann und die im letzten Jahr entstandenen Meere wieder schrumpften, begannen überall die Hilfskräfte der Priesterschaft die befruchteten Eier zu bergen und in die Reservoire zu bringen, wo ihr Reifungsprozess künstlich aufgehalten wurde. Einigen von ihnen wurde vielleicht erst in Jahrtausenden gestattet, voll auszureifen und zu einem Fash’rar heranzuwachsen.
Die Paarungszeit in den Meeren war nach einem Jahr der Flut so gut wie vorbei. Die im Laufe der letzten Jahrhunderte in den wüstenartigen Meeresgrund eingegrabenen Fash’rar siebenerlei Geschlechts erwachten zu einem kurzen zweiten Leben. Die heiligen Überlieferungen rieten jedem Fash’rar, sich nicht zu spät einzugraben. Zwar war es verständlich, dass jeder Fash’rar diesen Zeitpunkt so weit wie möglich ans Ende seiner Existenz zu legen versuchte, aber wenn er nach dem Erwachen aus dem vielleicht ein Jahrtausend dauernden Tiefschlaf mit
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