Sternenfaust - 045 - Die Entscheidung der Genetics
lassen wollte.
Mit schier unermüdlicher Geduld hatte Maunga alle Hinhaltetaktiken und Zermürbungstechniken des Lord Managers über sich ergehen lassen. Er hatte mit einer Begeisterung, von der Diaz inzwischen fast überzeugt war, dass er sie nicht vortäuschte, Stadtführungen und Museumsbesuche absolviert und schien entschlossen, sich auf diese Weise auch weiterhin zu amüsieren mit allem, was der Lord Manager vielleicht noch für ihn vorgesehen hatte. Außerdem hatte er sich mit großem Interesse auch von anderen führenden Genetics in persönlichen Gesprächen die Gründe angehört, weshalb »Aktion Exodus« beschlossen worden war. Anschließend wartete er geduldig weiter darauf, dass Diaz ihn zu einem nächsten Gesprächstermin bat.
Diaz war sich bewusst, dass die Menschen der Solaren Welten und vor allem die betroffenen Bewohner der Drei Systeme in ihm ein Ungeheuer, ein Monster, einen Teufel und Schlimmeres sahen. Dabei hatte er in diesem Fall tatsächlich in erster Linie das Wohl der Nation im Sinn, die ihn zu ihrem Vertreter gewählt hatte.
Vollkommen nüchtern und emotionslos betrachtet war in der Genetic-Gesellschaft kein Platz für Nichtoptimierte mehr. Vielleicht hätte man diese Entwicklung verhindern können, wenn man die genetischen Optimierungen langsamer hätte angehen lassen und sie nicht derart forciert hätte. Oder wenn die Genetics ihre Forschungen verstärkt oder doch wenigstens genauso intensiv auf die Optimierung von Erwachsenen konzentriert hätten. Doch warum kleckern, wenn man die Möglichkeit hatte zu klotzen?
Als Ergebnis dieses »Klotzens« waren die Nichtoptimierten derart weit hinter den Optimierten zurückgeblieben, dass man tatsächlich beinahe schon von zwei vollkommen verschiedenen Rassen sprechen konnte. Schon in der nächsten Generation würde dieser Unterschied komplett sein.
Aber natürlich hatte diese Entwicklung ihren Preis gefordert. Einen Preis, den auch Diaz selbst hatte bezahlen müssen. Sein Sohn war dem Druck, der auf ihm als Optimierten und Sohn seines Vaters lastete, nicht gewachsen gewesen und hatte sich umgebracht. Diaz’ Frau hatte sich schon lange davor scheiden lassen, weil sie ihn und seine Visionen nicht verstand und sich von seinen Ansprüchen an sie überfordert fühlte.
Und trotzdem – oder gerade deswegen – war Jurij R. Diaz immer noch davon überzeugt, dass Aktion Exodus der richtige Schritt war. Zu seinem Erstaunen konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sogar Maunga ihn tatsächlich verstand und das nicht nur aus Diplomatie vorgab.
Natürlich hatte der Botschafter in zwei Punkten absolut recht. Der Zeitpunkt für die Aktion war nicht besonders günstig gewählt, angesichts der Bedrohung durch die Dronte. Und die Aktion konnte aufgrund der – verglichen mit der Kapazität des Star Corps – geringen Flottengröße der Genetics nicht in den vorgegebenen drei Monaten durchgeführt werden.
In diesem Punkt habe ich einen Fehler gemacht , gestand sich Diaz ein. Ich habe meinen persönlichen Gefühlen erlaubt, meine Handlungen zu diktieren. Das darf und wird mir nie wieder passieren. Schließlich gibt es andere Möglichkeiten, gegenüber den Solaren Welten unsere Unabhängigkeit zu demonstrieren.
Aus diesem Grund hatte Diaz auch persönlich darum gebeten, dass sich die STERNENFAUST um das fremde Riesenschiff kümmerte, das Kurs auf die Drei Systeme hatte. Dadurch konnte er ein Nachgeben in Bezug auf die Drei-Monats-Frist großzügig als »Belohnung« für diesen Dienst deklarieren und erweckte dadurch nicht den Eindruck, ohne Gegenleistung klein beizugeben.
Im Moment hatte er aber ein ganz anderes Problem. Das ihm von Sven Reichenthal gestellte Ultimatum war abgelaufen und der Herr des TR-Tec-Konzerns auf dem Weg zu ihm. Einerseits freute sich Diaz diebisch auf das kommende Gespräch, andererseits behagten ihm die Folgen, die sich daraus unweigerlich ergaben, nicht besonders. Auch wenn er das niemals offen zugegeben hätte, verdankte er Reichenthal und TR-Tec doch einiges.
Die Tür zu seinem Büro wurde aufgerissen, und Sven Reichenthal stürmte herein.
»Mr. Reichenthal, ich hoffe, es ist Ihnen bewusst, welches Entgegenkommen es von meiner Seite aus darstellt, Sie zu empfangen«, begrüßte Jurij R. Diaz seinen früheren Geschäftspartner. »Besonders in Anbetracht Ihres Auftritts bei unserer letzten Begegnung. Deshalb würde ich Ihnen raten, so schnell wie möglich zum Kern Ihres Anliegens zu kommen. Ich habe zu tun.«
Sven
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