Sternenfaust - 069 - In Ketten
so setzt der Verfasser dieser Aufzeichnungen seinen Gedankenaustausch mit ihnen mit deutlich leichterer Seele fort.(Aus den Aufzeichnungen des Namenlosen. Überlebender Schreiber Wlooms, der nach der Katastrophe seinen Namen auslöschte, um damit an das Schicksal all jener zu erinnern, von denen keine Schatten und keine Namen blieben.)
*
Es war so ruhig wie schon lange nicht mehr. Über den wolkenlosen Himmel wölbte sich die klare, mondlose Nacht mit zahllosen, unbekannten Sternbildern. Die Dunkelheit drängte die Wirklichkeit mit all ihren Problemen erfolgreich zurück und für einen Moment war Dana geneigt, ihre Gedanken frei schweifen zu lassen. Sie stand vor dem Eingang der Höhle. Der Funkverkehr war verstummt. Der schwarze Umriss des unbeleuchteten Shuttles war kaum von der übrigen Umgebung zu unterscheiden.
Sie wusste, dass ihre Männer in der Fähre die Ortungsgeräte im Blick behielten. Auch die Verstärkung der um ihren provisorischen Stützpunkt verteilten Wachen erlaubte jetzt nur noch der Hälfte des Trupps eine kurze Ruhepause. Schon bald würden diejenigen, die jetzt für ein paar Stunden schlafen durften, geweckt, um ihre Kameraden abzulösen.
Unmittelbar nach dem Gefecht mit den Morax hatte sie veranlasst, dass weitere Marines und Waffen von der STERNENFAUST herangeschafft wurden.
Doch im Moment schlief selbst der gefangene Morax, den sie in Kürze einer weiteren Befragung unterziehen würde. In den frühen Morgenstunden würde ihn eine Fähre abholen und er würde streng bewacht zur STERNENFAUST gebracht, wo derzeit eine spezielle Zelle für den wertvollen Gefangen vorbereitet wurde.
Da sie den Morax nicht andauernd sedieren und anketten wollten, musste ein Raum so präpariert werden, dass er wirklich sicher war. Einerseits natürlich absolut ausbruchssicher, andererseits aber auch sicher für die Leute, die mit dem Gefangenen später zu tun bekommen würden.
Dana hegte Zweifel daran, dass die herkömmlichen Arrestzellen der STERNENFAUST diesen Ansprüchen gerecht wurden.
Sie starrte zu den fremdartigen Sternkonstellationen in der Schwärze hoch über ihrem Kopf und wünschte sich mit einem Mal zurück zur Erde. Es war kein konkreter Ort, der ihr einfiel, sondern eher eine ideale Umgebung, die sie sich mit offenen Augen erträumte. Statt des Shuttles befänden sich die Umrisse eines Hauses im Hintergrund. Sie selbst döste auf einer Liege im Garten. Auch hier war die Nacht sternenklar und sie erkannte die Bilder des Schützen, der Waage und der Jungfrau. Damit mischte sie in ihrer Vorstellung Sternbilder, die gar nicht in einer Hemisphäre beheimatet waren, aber dennoch das Gefühl der Vertrautheit erzeugten.
Mit Mühe riss sie sich von ihren Phantasien wieder los und kehrte auf die verseuchte und zerstörte Welt der Wloom zurück. Sie erkannte, dass sie ein simples Gefühl von Heimweh übermannt hatte.
Heimweh , dachte sie mit einem bitteren Unterton, wonach? Wo war sie zuhause, wenn nicht auf der STERNENFAUST? Würde sie es jemals schaffen, ein normales Leben zu führen? Mit Familie, mit einem Mann, mit Kindern? In einem Haus oder einer Wohnung, egal ob auf dem Land oder in der Stadt, ja selbst egal auf welchem Planeten? Dana spürte, wie sie begann, sich in düsteren Gedanken zu verlieren. Andere Leute machten solche Überlegungen, die von Unerreichbarkeit und Aussichtslosigkeit geprägt waren, schwermütig. Bei ihr war das anders.
Ein depressiver Captain ist die beste Voraussetzung, um das Schiff ins Verderben zu führen , dachte sie in einem Anflug von Zynismus.
Solche Gedanken machten sie in der Regel nur wütend. Die beste Voraussetzung für eine Unterhaltung mit ihrem Gefangenen.
*
Es war Mittag, als Dana und Bruder William erneut mit Seng zusammentrafen. Der Morax war inzwischen, wie van Deyk ihr gemeldet hatte, wohlbehalten an Bord der STERNENFAUST eingetroffen und konnte nun in seiner Spezialunterkunft weiter vor sich hinbrüten.
Stumpf , dachte Dana, wenn sie an ihre »Unterhaltung« mit ihm zurückdachte. Einfach nur stumpf, verstockt und bockig …
»Caan« war das Einzige, was sie von ihm zu hören bekommen hatte. Das war auch das einzige Wort, das er zu Marines wie Ragnarök und Takashi gesagt hatte, die ihn bereits zuvor mit Hilfe eines Translators in die Mangel genommen hatten. Caan – das war sein Name. Obwohl sie die Hochsprache der Morax in ihrer Gefangenschaft so gut gelernt hatte, dass sie sicher sein konnte, dass er jedes ihrer Worte
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