Sternenfaust - 076 - Heimkehr
Shisheni.«
»An der Loyalität der beiden besteht kein Zweifel«, beruhigte ihn Valentina. »Captain Frost hat schon mehr als einmal Befehle ausgeführt, mit denen sie nicht einverstanden war.«
»Hm«, machte Rudenko nur zweideutig und zeigte nicht, was er dachte.
»Jedenfalls«, fuhr Valentina fort, »haben wir bereits Maßnahmen ergriffen, um die Vermissten zu finden. Wir gehen davon aus, dass zumindest die Kopien der Dateien nur jemand von den Leuten vorgenommen haben kann, die Zugang dazu hatten. Wahrscheinlich war es Miss Natasha Wong, denn die ist heute Morgen ebenfalls nicht zur Arbeit erschienen. Wir haben die Kollegen bereits befragt, aber natürlich behaupten sie alle, nichts weiter zu wissen. Sie haben auch alle Alibis, die wir bereits überprüft haben und ausnahmslos bestätigt fanden. Aber natürlich kann man Alibis konstruieren, und deshalb haben wir die in Frage kommenden Leute bereits subtil unter Beobachtung gestellt. Miss Wongs Vergangenheit wird derzeit erneut durchleuchtet. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir sie finden. Und haben wir ihn oder sie erst einmal, werden wir relativ schnell herausfinden, wohin die Entführten verschleppt worden sind.«
»Hm«, wiederholte Rudenko. »Darf ich fragen, warum Sie bisher kein Winston-Feld verwendet haben, um die Entführer eindeutig zu identifizieren? Ist die GalAb über so etwas hinausgewachsen?«
Valentinas Miene war nicht anzusehen, ob sie sich über diese Bemerkung ärgerte. »Das hat die zuständige Behörde von Tananarive auf Madagaskar natürlich vorgenommen, allerdings waren die Spuren nicht verwertbar. Aber ich will Sie nicht mit Crime-Scene-Fachsimpelei langweilen. Solche Inkompetenzen kommen zuweilen vor. Wir werden die Entführer auch so schnell bekommen. In Miss Wong haben wir ja schon einen klaren Hinweis.«
Rudenko sagte nichts, sah Valentina aber böse an, die den Blick mit unbewegter Miene erwiderte.
Valentina wandte sich zum Gehen, doch Rudenko hielt sie zurück. »Könnte uns die Entführung – so es denn tatsächlich eine ist – politisch oder anderweitig gefährlich werden?«, fragte er. »Abgesehen von der Möglichkeit, dass MacShane doch ein Verräter sein könnte.«
Valentina schüttelte den Kopf. »Diese Gefahr schätzt die GalAb als äußerst gering ein, Gregor. Wenn Sie mir diese persönliche Bemerkung gestatten, ich habe mir die Berichte der Expedition genau durchgelesen und stimme Professor MacShane darin zu, dass es sich bei den Kopien, die die Wloom der Expedition überlassen haben, um Schrott handelt. Dass sich darin Informationen von Wert finden, halte ich für mehr als unwahrscheinlich, immerhin sind schon genaue Übersetzungen von Jubar ins Solar sehr schwierig. Und dabei handelt es sich um lebende Sprachen und vollständige Texte. – Bei der vermutlich noch existierenden echten Bibliothek sähe die Sache natürlich anders aus. Das Wissen darin wäre nicht nur von unschätzbarem Wert, es birgt wahrscheinlich auch die eine oder andere Brisanz.«
Rudenko nickte stumm und winkte Valentina hinaus. Selbst wenn MacShane mit seiner Theorie recht hatte – er war während der Expedition höchstens dazu gekommen, sich mit einem Bruchteil der Baumwurzelgebilde, die angeblich »Bücher« waren, zu befassen. Auch der Kryptologe konnte wohl kaum vorhersagen, ob sich nicht doch das eine oder andere sinnvolle Textstück in dem unüberschaubar großen Rest fand, den die STERNENFAUST hatte bergen können.
Aber wenn das Ganze nun doch ein Reinfall war?
Dann würde er wohl oder übel umdenken müssen. Aber Gregor Rudenko wäre nicht Vorsitzender des Hohen Rats der Solaren Welten gewesen, wenn er nicht flexibel gewesen wäre.
*
Als Jalal Paulsen am Morgen nach seiner Rückkehr von Raumdock 13 erwachte, fühlte er sich verwirrt und war einen Moment völlig orientierungslos. Er hatte sich in seine Wohnung in Padua zurückgezogen und war so ungewöhnlich müde gewesen, dass er sich sofort schlafen legte, ohne seine üblichen Rituale zu zelebrieren, die er sonst nach jeder Heimkehr feierte. Und das war mehr als ungewöhnlich.
Er hatte noch nie darauf verzichtet, sich als Erstes seinen Lieblingstee zu kochen (grünen Tee mit Schokoladen-Chili-Geschmack), eine heiße Dusche zu nehmen und anschließend mit einem guten E-Buch bei Tee und künstlichem Kerzenschein auf den Balkongarten zu setzen und zu relaxen. Noch nie!
Dunkel kam ihm zu Bewusstsein, dass am vergangenen Tag etwas anders gewesen war als sonst.
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