Sternenfaust - 084 - Der Fremde
»Wir haben dieses Wesen jetzt an Bord. Wir waren uns doch einig, dass unsere Ethik uns verbietet, ihn dem sicheren Tod zu überlassen, so unvernünftig das auch sein mag!«
Van Deyk stellte eine Verbindung zur STERNENFAUST und der SONNENWIND her. »Wir haben eine Stasiskammer mit einem Überlebenden der Schiffsbesatzung geborgen«, teilte er den beiden Captains mit. »Falls es den Ärzten gelingt, ihn aufzuwecken, könnte er uns vielleicht interessante Informationen geben.«
»Ist er ein Dronte?«, fragte Chip Barus argwöhnisch.
»Nein. Er sieht aus wie ein Mensch, und nach den vorläufigen Erkenntnissen unserer beiden Xeno-Mediziner scheint er tatsächlich auch genetisch ein Mensch zu sein. Aber das muss natürlich erst genauer untersucht werden.« Er konnte die Verblüffung von Frost und Barus förmlich hören, obwohl beide für einen Moment schwiegen.
»Bringen Sie ihn an Bord der STERNENFAUST«, entschied Dana schließlich. »Da die beiden einzigen Xeno-Mediziner zu unserer Crew gehören, bietet sich das an.«
»Keine Einwände«, stimmte Barus zu. »Und damit Sie nicht sagen können, wir denken, wir hätten ihn so nicht am Hals, werden wir inzwischen ein paar Trümmerstücke einfangen und sie untersuchen. Können Sie solange Ihren L.I. entbehren? Von Gerling wird sich sicher über diese Unterstützung freuen.«
»Warum nicht, ich hätte ihn nur vor unserer nächsten Etappe gern wieder zurück.«
»Bestätigt!«
»Wir erreichen die STERNENFAUST in einer halben Stunde«, sagte Bogdanovich und beendete die Transmission. »Also, meine Damen und Herren, lehnen Sie sich zurück und genießen Sie die Aussicht«, fügte er an seine Passagiere gewandt hinzu.
MacShane blickte nachdenklich auf die auf dem Bildschirm immer noch sichtbar herumfliegenden Trümmerstücke. »Ich frage mich nur, warum uns das Schiff überhaupt an Bord gelassen hat und hinterher zuließ, dass wir einfach so wieder verschwinden«, überlegte er laut. »Das erscheint mir keine sonderlich logische Handlung zu sein.«
»Wenn wir berücksichtigen, dass es sich bei dem Schiff tatsächlich um eine halb organische Lebensform gehandelt hat, so könnte es sein, dass es sich dabei um eine Art absichtlich programmierten unwiderstehlichen Reflex handelt«, meinte Jefferson. »So ähnlich wie das Phänomen, die Augen zu schließen, wenn man niest, ob man will oder nicht. So hat dieses Schiff möglicherweise den Reflex, alles in sich aufzunehmen, was sich im Anflug befindet und es wieder herauszulassen, sobald es vom Hangarboden abhebt. Oder beides war eine Fehlfunktion, was bei dem mutmaßlichen Alter des Schiffes auch wahrscheinlich wäre.«
»Immerhin müssen die Erbauer oder Schöpfer von dem Ding ganz schön paranoid gewesen sein«, wandte von Gerling ein. »Ich meine, welches normal denkende Wesen, das über eine derart fortgeschrittene Technik verfügt, programmiert ein Schiff gleich auf komplette Selbstzerstörung, nur weil mal jemand etwas darin anfasst?«
»Also erstens haben wir da drinnen nicht nur ›etwas angefasst‹, sondern massiv in das Innenleben des Schiffes und nicht zuletzt seiner Bewohner eingegriffen«, erinnerte ihn Tregarde. »Und zweitens gibt es keine Beweise oder auch nur Indizien dafür, dass die Selbstzerstörung beabsichtigt war oder gar uns galt. Ich vermute eher, dass der unautorisierte Eingriff in eines seiner – für das Schiff möglicherweise essentiell wichtigen, weil auf die Bewohner geeichten – Systeme die Selbstzerstörung versehentlich ausgelöst hat. Immerhin haben wir die Stasiskammer gewaltsam und nicht vorschriftsmäßig von ihrer Basis gelöst. Dadurch ist es möglicherweise zu einer Art Kurzschluss gekommen, die die Zerstörung initiiert hat.«
»Wäre möglich«, stimmte Jefferson zu. »Aber das werden wir vielleicht nie erfahren.«
»Es sei denn, wir bringen unseren Patienten schnellstmöglich an Bord, erhalten ihn am Leben und finden einen Weg, uns mit ihm zu verständigen. Oder es gelingt uns die Informationseinheit in der Kammer anzuzapfen. Nur so können wir ihn irgendwann direkt danach fragen. Alles andere ist sinnlose Spekulation.«
*
Das Öffnen der Stasiskammer erwies sich als weniger schwierig und vor allem ungefährlicher als befürchtet, obwohl es aus Sicherheitsgründen in einer leeren Schleuse der STERNENFAUST stattfand. Yngvar MacShane identifizierte anhand der auf der Schaltkonsole angebrachten Schriftzeichen die Schalter, die dafür vorgesehen waren, und Telford
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