Sternenfaust - 087 - Amnesie
Zusatzstoff.
Wo bleibt Wanda nur?
Ihre Assistentin war schon über eine halbe Stunde zu spät und nun wurde es der Botschafterin zu bunt. Sie schlurfte zur Tür ihres Zimmers, öffnete sie einen Spalt breit und lugte auf den Flur.
Von Wanda keine Spur. Links den Korridor hinunter sah sie gerade noch den angeschlossenen Wintergarten. Das künstliche Licht, das eine gewisse anregende Intensität besaß, hatte Ratsmitglied Gustafsson anscheinend dazu animiert, aus seinem Zimmer zu kommen und sich für die Lektüre eines Datenpads in einem der dort bereitgestellten Sessel niederzulassen. Allzu spannend konnte das Pad allerdings nicht gewesen sein. Dem indischstämmigen Mann war der unvermeidliche Sikh-Turban, den er immer trug, ins Gesicht gerutscht und er schnarchte selig bei einem Mittagsschläfchen.
Aber keine Wanda. Dabei hörte man doch leise ihre Stimme! Wo …?
Die Botschafterin horchte genauer hin. Links neben ihrem Zimmer war der Raum, in dem Gregor Rudenko seinen Aufenthalt in der Far Horizon -Klinik genoss. In der Sitzgruppe seiner Tür gegenüber auf dem Flur saßen die beiden Wachposten und starrten wie Schießhunde auf die leicht angelehnte Tür zu Rudenkos Zimmer.
»Psst! Ihr da!« Moll winkte den beiden GalAb-Agenten zu. »Kommt doch mal kurz her. Ich muss euch was fragen!«
Die beiden Männer drehten ihre Köpfe in die Richtung der Botschafterin und schauten sie ausdruckslos an. Dann drehten sie das Gesicht wieder zur Tür und blieben so still wie eh und je.
»Dann komm ich eben zu euch!«, grummelte Moll, schlich mit wehender Toga zur Sitzgruppe und setzte sich genau auf den freien Banksitz, der zwischen den Agenten frei geblieben war. Die Bank wölbte sich an der Stelle, an der Molls Gesäß sie berührte, verdächtig nach unten. Die beiden steif dasitzenden Männer rutschten auf ihrer nun etwas schräg geneigten Sitzfläche unwillkürlich auf die korpulente Botschafterin zu.
»Hör mal, Schätzchen, seit wann ist Wanda da drin?«, fragte diese ihren Sitznachbarn zur Linken und legte ihm dabei vertraulich die Hand auf den Oberschenkel.
Der Agent reagierte souverän, auch wenn ihm seine Verunsicherung ob der Nähe dieses pfundigen Weibes ins Gesicht geschrieben stand. »Noch nicht ganz eine Stunde, Ma’am«, antwortete er, während er behutsam versuchte, die Finger der Botschafterin von seinem Bein zu schieben.
Jefica Moll spitzte nachdenklich die Lippen. »Soso. Seit etwa einer Stunde also. Und was erzählt man sich so?«
»Das wissen wir nicht.«
»Ach, kommt schon! Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass ihr nicht zugehört habt. Das ist doch eure Aufgabe hier, oder etwa nicht?«
Der Agent rechts von ihr schaute sie mit einem bösen Funkeln in den Augen an. »Wir lauschen nicht, Ma’am!«
»Abgesehen davon, versteht man von hier aus überhaupt nicht, was sie sagen«, ergänzte der Linke.
Moll zog die stark geschminkten Augenbrauen hoch. »Ach. Was du nicht sagst, mein Lieber.« Sie klopfte dem Linken noch einmal auf den Oberschenkel und drückte sich dann mit einem Schnaufen in eine stehende Position. »Na, wenn ihr nicht neugierig genug seid, dann bin ich es eben!«, flüsterte sie den beiden zu, und schlich, ohne sich noch einmal umzudrehen, auf die Tür zu Rudenkos Zimmer zu.
Sie hatte es immer wieder versucht. Mittags hatte sie ihm sein Essen aufs Zimmer gebracht und versucht, ihn mit subtilen Fragen aus der Reserve zu locken.
Was er denn als erstes zu tun gedenke, wenn er aus der Reha-Klinik entlassen werde. Ob er Diaz mit rechtlichen Mitteln versuchen werde beizukommen.
Doch Gregor Rudenko ließ sich nicht erweichen und schwieg hartnäckig.
Wanda Ndogo biss bei dem Ratsvorsitzenden auf Granit. Valentina Duchamp hatte ihr Tipps gegeben, wie mit dem Mann umzugehen sei, aber das hatte ihr herzlich wenig geholfen. Jede Provokation, jedes Schmeicheln prallte an Rudenko ab. Er ließ sie lediglich die Dinge erledigen, die seine Sicherheitsberaterin sonst erfüllte: Botengänge, das Besorgen von Snacks und Getränken oder die Versorgung mit Datenpads, bespielt mit den aktuellen Newsdiensten oder Literatur.
Außer dem Bildschirm mit den Medienkanälen hatte man Rudenko jede persönliche Verbindung zur Außenwelt untersagt. Zu groß sei die Gefahr, dass er etwas zu vertuschen versuchte, so die Meinung der mit der Untersuchung in der Sache »PFS-Virus« beauftragten Galaktischen Abwehr. Der Ratsvorsitzende musste also auf eine Konsole mit Zugang zum Datennetz verzichten, ebenso auf
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