Sternenfaust - 087 - Amnesie
Kommunikation via konventionellem oder Bergstrom-Funk. Alles, was in Form elektronischer Medien in den Raum kam oder ihn verließ, wurde von den GalAb-Agenten geprüft.
So war Valentina Duchamp während seines Aufenthalts im Far Horizon -Hospital zu seiner wichtigsten Verbindung zur Außenwelt geworden – und im Moment erfüllte Wanda Ndogo diese Aufgabe.
»Was halten Sie eigentlich von ihren beiden Bewachern da draußen?«, fragte die ehemalige Versorgungsoffizierin der STERNENFAUST bei einem ihrer täglichen Besuche. Rudenko und sie saßen sich in der Leseecke seines Raumes auf zwei Sesseln gegenüber. Er hatte sich von ihr die neuesten Netz-Zeitungen bringen lassen und studierte die Artikel. Außerdem hatte er sich ausbedungen, dass Wanda noch eine Weile bleiben und ihm gegebenenfalls Hintergründe erläutern sollte, die er aufgrund seiner isolierten Lage nicht in Erfahrung bringen konnte.
Wanda hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt und versuchte nun erneut, nachdem sie Rudenko eine Zeit lang diesen oder jenen Zusammenhang erklärt hatte, der mit den aktuellen galaktopolitischen Geschehnissen zu tun hatte, dem Ratsvorsitzenden etwas über das Attentat des Ex-Lord Managers Diaz und die Hintergründe aus der Nase zu ziehen.
»Bewacher?« Rudenko schaute, rümpfte die Nase. »Sie meinen die beiden Leibwächter. Die tun, was sie tun müssen. Ich wüsste nicht, was es dagegen zu sagen gäbe. Sie schützen mich. Das ist ihre Aufgabe.«
Wanda zog verwundert die Augenbrauen nach oben. »Ihnen ist schon klar, dass die sie überwachen, oder? Die GalAb und auch der offizielle Untersuchungsausschuss des Hohen Rates hat da noch ein paar Fragen an Sie, das PFS-Virus und die Sache mit Diaz betreffend.«
Der Ratsvorsitzende straffte sich und kniff die Augen zusammen. Er sah sichtlich verwirrt aus. »Wovon reden Sie da eigentlich? Ich habe keine Erinnerung an diese Sache. Ich weiß nur, was in den paar Newsdiensten zu lesen und zu hören war, die man mir noch lässt. Ich wüsste nicht, welche Sache da noch zu klären wäre.« Gregor Rudenko stand ruckartig auf und griff sich an die Stirn. Ihn schienen Kopfschmerzen zu plagen, denn er ging zu dem neben dem Krankenbett platzierten Nachttisch, in der eine Reihe von Medikamenten in geringen Dosen aufbewahrt wurde: Leichte Schmerztabletten, Vitamindragees, Tropfen gegen Durchfall und so weiter. Allesamt ungefährlich. Hätte sich jemand damit umbringen wollen, er wäre kläglich gescheitert.
Rudenko löste sich eine der Schmerztabletten in einem Glas Wasser auf.
Wanda Ndogo beobachtete das Ganze misstrauisch von ihrem Sessel aus. Was ist nur mit Rudenko los? Vijay und Jefica haben – wenn auch nur vage und bruchstückhaft – Erinnerungen an die Geschehnisse in Rudenkos Orbitalheim. Auch der Ratsvorsitzende hat mir gestern noch ganz empört von Diaz Verrat erzählt und wie arrogant er sich benommen hat. Und jetzt will er nur aus den Newsdiensten von all dem wissen? Da stimmt doch was nicht.
Wanda Ndogo gefiel das Ganze nicht. Sie beschloss, dem Ersten Mann der Solaren Welten auf den Zahn zu fühlen. »Mister Rudenko, wissen Sie nicht mehr, was passiert ist?«
Der hatte sich auf den Rand seines Bettes gesetzt und massierte sich die Schläfen mit den Zeige- und Mittelfingern. »Nein, wie sollte ich auch Erinnerungen daran haben? Man sagte mir, Mr. Gustafsson, Miss Moll und ich seien mit einem Medikament vergiftet worden, dass einen Schlaganfall auslöst. Wie soll ich mich da an die Stunden davor erinnern?«
Es ist schwer zu beschreiben, was in diesem Moment in Wanda Ndogos Kopf vor sich ging. Sie hatte im Datennetz schreckliche Berichte über Schlaganfall-Patienten gelesen, denen viele Details aus ihrem Leben entfallen waren. Für die Angehörigen eines Erkrankten war die Situation oft nicht leicht, wenn diese ihre eigenen Kinder oder Ehepartner nicht mehr erkannten.
Das fiel Wanda in just diesem Moment, in dem Rudenko ihr offenbarte, warum er dachte, dass er hier sei, wieder ein. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Er hat es vergessen! Er hat vergessen, was geschehen ist. Er weiß es nicht mehr! Aber wenn Diaz und den Genetics nicht nachgewiesen werden kann, was sie vorhaben und der einzige Zeuge, nämlich Gregor Rudenko ausgeschaltet ist – wer soll dann eine Wiederholung verhindern?
»Sind Sie da ganz sicher?«, fragte sie noch einmal nach.
»Natürlich! Diaz’ Teufelszeug hat mich außer Gefecht gesetzt. Gut, dass er auf dem Merkur keinem mehr schaden kann!
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