Sternenfaust - 088 - Ernte unter glühender Sonne
warf ihm einen kalten Blick zu. »Mister, unter anderen Umständen würden Sie jetzt schon mit zwei blauen Augen unter Deck liegen, aber dazu haben wir jetzt keine Zeit. Also – wollen wir reden? Oder wollen wir endlich loslegen?«
Irgendetwas in der Stimme der Rothaarigen sagte Byron, dass sie mit jedem Wort die Wahrheit gesprochen hatte. Er sollte sich also ein wenig zurücknehmen.
Hensleys Augen huschten über das Deck des Vorzeigeschiffes. Valentina begann, die Botschafterin zu beruhigen, denn die hatte sich nun so verkrampft, dass Duchamp kaum eine Hoffnung hatte, die Sache zu einem guten Ende bringen zu können.
Byron sah das anders, denn je apathischer die schwere Frau war, umso leichter würde er sie lenken können – und im Wasser spielte das Gewicht eh keine Rolle. Hinter dem Rücken von Jefica Moll nickte er verschwörerisch der Rothaarigen zu, deren körperliche Vorzüge er nur schwer in seinem Bewusstsein ausblenden konnte … ehrlich gesagt gelang ihm das überhaupt nicht. Nur mühsam konnte er sich schließlich wieder auf das eigentliche Problem konzentrieren.
Es war Schwerstarbeit, doch die Hebelwirkung half den beiden. Sie kippten Jefica Moll brutal über die Reling!
Es ging einfach nicht anders, sagte sich Valentina immer wieder – dann hechtete sie der Botschafterin hinterher, die laut schreiend auf die Fluten geklatscht war. Valentina fürchtete, Moll würde nun in Panik geraten und wild um sich schlagend untergehen. Doch es geschah das Gegenteil: Moll schrie, doch sie lang rücklings auf dem Wasser, das gierig versuchte, den massigen Körper in die Tiefe zu ziehen. Doch das gelang ihm nicht. Valentina begriff, dass ihr Retter mit dem lüsternen Blick richtig gelegen hatte – Moll war ihr eigenes Rettungsfloß, dessen Auflagefläche den an ihr zerrenden Meeresströmungen widerstand.
Duchamp schwamm in Rückenlage zu Moll, fasste die Botschafterin bei den Schultern und begann mit den Beinen zu rudern – an den Füßen der nach wie vor schreienden Frau schob der Lüstling kräftig mit. Es war kein einfaches Unterfangen, doch es klappte tatsächlich.
Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, Jefica Moll in den Schlund des Ernterüssels zu hieven. Dann schaltete Byron den Sprechkontakt zu Prior. »Mister Prior – Einzelfracht kommt. Fahren Sie die Zyklonen hoch … da ist uns ein dicker Fisch ins Netz gegangen.« Selbst Valentina konnte sich nun ein Grinsen nicht verkneifen. Die beiden Retter sprangen zurück in die Fluten, denn Moll sollte einzeln ins Schiff gezogen werden – sicher war sicher.
Die Zyklone begannen aufzuheulen, doch plötzlich war da Molls Stimme, die den Lärm spielerisch übertönte.
»Das habe ich gehört, mein Freund! Darüber reden wir noch!«
Dann verschwand sie aus Valentina Duchamps Sichtfeld.
Die letzte »Fuhre« bestand aus Valentina und dem Mann, der nun auch so erschöpft war, dass ihn nicht einmal mehr die aufregende Figur der Agentin fesseln konnte.
Die Tyche nahm Fahrt auf – Richtung Trockendock B, den – soweit es überhaupt ging – eingezogenen Ernterüssel hinter sich her ziehend.
*
Auf halbem Weg zum Dock trafen sie auf die Rettungsschiffe, die von dort kamen – sie wären viel zu spät am Havariepunkt der Marina eingetroffen, dem Prunkschiff, das in einem optischen und akustischen Inferno in der See verschwunden war. Beinahe hätte es die Tyche doch noch mit sich in die Tiefe gerissen, doch Prior und Hensley hatten wirklich die letzten Reserven der Motoren ausgereizt und das Chaos verhindert.
Der schwer verletzte Baal Senok und die Überlebenden der Mannschaft wurden an Bord genommen – Moll, Ndogo und Duchamp weigerten sich. Sie blieben an Bord des Ernteschiffs. Sie wollten den Skipper noch etwas genauer kennen lernen. Die Frauen konnten es dennoch kaum erwarten, das Dock zu erreichen.
Alle drei waren mit ihren Kräften am Ende …
*
Jefica Moll drückte die Hände fest auf ihren Bauch und zog die Beine dicht an den Leib.
Embryohaltung. Normalerweise half die schon, die Schmerzen und den Druck zu lindern, doch heute versagte diese Technik kläglich. Als der Summton von der Tür ertönte, streckte sich die Botschafterin rasch wieder aus.
Mit dem Wort »Öffnen« aktivierte sie die akustische Kontrolle – die Tür verschwand lautlos in der Wand.
Wanda Ndogo und Valentina Duchamp traten ein. Beide waren hier im Trockendock B mit neuer Kleidung versorgt worden, wenn die auch nur aus dunkelblauen Overalls bestand. Trotz
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