Sternenfaust - 089 - Sirius III
Forschung entgegenstehen, es erschien Meister Daniel irgendwie nicht richtig, dem Toten die Ruhe zu nehmen.
Je weiter er hinabstieg, desto mehr musste er sich auf jeden einzelnen Schritt konzentrieren.
Dreimal legte Meister Daniel eine Pause ein und verhaarte an Stellen, an denen das möglich war. Die Hänge waren steiler, als er es vom Aufstieg auf der äußeren Kraterseite gewohnt war. Vielleicht hätte ich durchaus auch etwas mehr Wert auf das körperliche – und nicht nur das geistige – Training legen sollen, bevor ich mich dazu entschloss, dem Weg des großen Saint Garran zu folgen! , kam es Daniel in den Sinn, als er spürte, dass er die Grenzen seiner Belastbarkeit wohl bald erreicht hatte.
Der Tag war lang und entsprach mehreren irdischen Standard-Tagen, auf die dann jeweils die relativ kurze Nacht folgte.
Aber der irdische 24 Stunden-Standardtag war für Daniel ohnehin nicht maßgeblich.
Nicht mehr.
Bis zu seiner Berufung hatte er auf der Erde, in Tanger gelebt, dem Stammsitz der Leslie Ltd. Seit Generationen war eine der Raumlinien zwischen Erde und Sirius in Familienhand gewesen. Mit langsamen, unterlichtschnellen Schiffen hatte es angefangen. Später war Daniel nur noch zu einigen Besuchen auf der Erde gewesen. Verschiedene Expeditionen des Christophorer-Ordens hatten ihn weit hinaus ins All geführt. Weiter, als die Schiffe des Star Corps je gekommen waren …
Aber die längste und strapaziöseste Reise hatte er noch nicht abgeschlossen: die Reise nach innen.
Dem Weg von Saint Garran zu folgen war im Grunde nur ein Mittel dazu, um sein Innerstes dazu zu bewegen, sich auf diese Reise zu begeben.
Lange hatte er dieses Vorhaben vor sich hergeschoben. Aber schließlich war ihm klar geworden, dass er nicht mehr allzu lange warten konnte, wenn er noch ernsthaft daran dachte, diesen Plan auch umzusetzen. Er war Ende vierzig. Kein Alter in einem Jahrhundert, wo die durchschnittliche Lebenserwartung bei 110 Jahren lag. Aber seine Erkenntnis, dieses Unternehmen jetzt durchführen zu müssen oder vielleicht gar nicht mehr, hatte auch nichts damit zu tun, dass sein Körper nicht mehr leistungsfähig genug gewesen wäre oder er irgendetwas in diese Richtung hätte befürchten müssen. Es war die Furcht vor der geistigen Erstarrung, die ihn dazu angetrieben hatte, sich jetzt auf den Weg nach innen zu machen. Ein paar Jahre noch und ich hätte den Mut vielleicht nicht mehr gehabt , wusste er. Und das Potenzial in mir … Es wäre verloren gewesen!
Als sich der Tag zum Abend neigte und sich Daniel eine Stelle zum Lagern suchte, bemerkte er einen grünen Belag auf dem Gestein. Er strich mit dem hauchdünn behandschuhten Finger darüber. Etwas von diesem grünen Material blieb an der Fingerkuppe haften.
Moos! , erkannte er. Bestimmte Moosarten hatten sich den kargen Verhältnissen angepasst und sich selbst in extremen Höhen festgesetzt. Die ersten Anzeichen dafür, dass ich mich der planetaren Troposphäre nähere , dachte Daniel. Diese Lebensformen sind ein Symbol für Hartnäckigkeit und Widerstandswillen …
Ein Geräusch ließ ihn herumfahren.
Geröll kam in Bewegung, Steine rutschten den Hang hinunter, beschleunigten, überschlugen sich und fielen klackernd in die Tiefe.
Weite Bereiche sowohl des inneren wie des äußeren Kraterrandes waren keineswegs fest verankert. In mehr oder minder regelmäßigen Abständen kam es auf natürliche Weise zu Erdrutschen. Dort wo die Brüderschule und die sie umgebende Stadt auf der gegenüberliegenden Seite des Kratersees errichtet worden war, hatte man zunächst eingehende geologische Untersuchungen vorgenommen, um auszuschließen, dass so etwas mit bewohntem Gelände geschah. Und tatsächlich sprach einiges dafür, dass dort der nächste größere Rutsch erst in ein bis zwei Millionen Jahren bevorstand.
Ähnliches galt für das Gelände, auf dem die Alt-Sirianer einst die Klostermauern von Saint Garran errichtet hatten. Die ursprünglichen Bewohner von Sirius III schienen ein großes geologisches Wissen angehäuft zu haben, denn tatsächlich hatten sie von allen möglichen Standorten innerhalb des Kraters sich denjenigen ausgesucht, der mit Abstand die größte Stabilität aufwies. Die Christophorer hatten die ursprüngliche Ruine stark erweitert. Darüber hinaus gab es weitere Gebäude in der Umgebung, wo vor allem Christophorer mit ihren Familien lebten. Bei all diesen Baumaßnahmen hatte man natürlich peinlichst genau darauf geachtet, dass man sich nicht im
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