Sternenfaust - 089 - Sirius III
durch Säure getötet wurden.
Da die Gesteinsbeißer die Flügelschlange anschließend stets unbeachtet liegen gelassen hatten, war anzunehmen, dass sie ihre Säureattacke nur deswegen verübten, weil der Vorbeiflug der Flügelschlangen sie irritiert hatte und sie sich bedroht fühlten. Was bedeutete, dass sie irgendeinen bisher verborgenen Sinn besaßen, um die Flügelschlange zu orten.
Augen besaßen Gesteinsbeißer jedenfalls nicht. Diejenigen, die man bisher hatte sezieren können, wiesen auch nichts auf, das nach einem Gehör aussah.
Blind und taub krochen sie durch das planetare Erdreich. Da sie sich während mehr als neunundneunzig Prozent ihrer Lebenszeit unter der Oberfläche aufhielten, wo ihnen weder Augen noch Ohren irgendwie hätten nützlich sein können, war das Fehlen dieser Sinne für sie kein Nachteil.
Den Ursprung jenes Sinnes, der ihnen ermöglichte, Lebewesen orten zu können und Flügelschlangen zu töten, war bisher nicht gefunden worden.
Ein Ultraschall-Sinn, wie er beispielsweise Fledermäusen die Ortung ihrer Beute auch bei völliger Dunkelheit gestattete, schied aus, denn der war ja letztlich nur eine Weiterentwicklung und Verfeinerung des Gehörs. Ebenso gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass die Gesteinsbeißer einen Sinn besaßen, der mit dem Geruchssinn vergleichbar war.
Bislang war den Forschern nichts anderes übrig geblieben, als anzunehmen, dass Gesteinsbeißer vielleicht Träger eines Sinnes waren, den es Parapsychologen zufolge auch beim Menschen gab: dem Psi-Sinn. Aber bisher waren dafür keinerlei Beweise gefunden worden.
Tatsache blieb aber, dass man damit rechnen musste, dass ein Gesteinsbeißer genau wusste, wo sich sein Gegenüber befand – wie auch immer er das herausbekommen mochte. Und ebenso war es eine Tatsache, dass schon ein einziger, schlecht gezielter Schwall von Säure, der bei einem einzigen Spucken ausgestoßen würde, einen Menschen innerhalb weniger Augenblicke zersetzen und töten konnte. Selbst dann, wenn Intensivmedizin sofort zur Verfügung stand.
Letzteres war bei Meister Daniel jedoch nicht der Fall, schließlich hatte er sich ja mit Bedacht ohne jegliches Kommunikationsequipment auf den Weg gemacht, weil er aus Erfahrung wusste, dass die Versuchung, dieses Equipment dann im Bedarfsfall auch zu nutzen, einfach zu groß war und er so nie die Einsamkeit gefunden hätte, die er auf dem Weg nach Innen benötigte.
Er starrte das seltsame Wesen an und dachte, wie gut es jetzt sein könnte, dass ihm genau dieser Umstand zum Verhängnis wurde.
Der Gesteinsbeißer rutschte über den Boden, brachte weitere kleinere Mengen von Geröll dazu, sich in Bewegung zu setzen und richtete den vorderen Schlund in Meister Daniels Richtung. Dieser hatte den Eindruck, als ob sich ihm ein augenloses Gesicht zuwandte. Aber es war bekanntermaßen eine Eigenart der menschlichen Psyche, überall die Konturen eines Gesichts wieder zu erkennen – auch dort, wo definitiv kein Gesicht war.
Der Gesteinsbeißer hob nun den hinteren Teil seines Körpers und auch dieser Schlund öffnete sich ein weiteres Stück, als es sich ebenfalls in Daniels Richtung wandte.
So verharrte die Kreatur zunächst.
Eine Angriffshaltung? , fragte sich Daniel. Er besaß kein in Einzelheiten gehendes Wissen über die Gesteinsbeißer und während der Vorbereitung auf seinen Weg nach Innen und die Nachfolge Saint Garran hatte er sich damit auch nicht weiter beschäftigt, denn Gesteinsbeißer waren in der Gegend um den Garran-Krater ohnehin selten und in Höhen über zwanzigtausend Meter eigentlich auch noch nie angetroffen worden.
Offenbar muss man das eine oder andere, was man bisher als gesichertes Wissen über diese Wesen erkannt zu haben glaubte, in Zukunft korrigieren , ging es ihm durch den Kopf.
Er wirkte wie zur Statue erstarrt, denn er wusste, dass schon die kleinste Bewegung den Spuckreflex der Kreatur provozieren konnte.
Im Dialog mit fremden Kreaturen hat die Diplomatie vielleicht doch auch ihre Grenzen! , überlegte er. Und versuchte, seine Körperfunktionen so zu kontrollieren, wie er es unter den Christophorern gelernt hatte. Vergiss nicht, dass du ein Meister bist. Auch die Nähe des Todes sollte für dich kein Problem dabei darstellen, die Frequenz deines Herzschlags zu senken!
Daniel konzentrierte sich. Die Frequenz sank langsam.
Wenn ich ruhig werde, wird es das Gegenüber vielleicht auch. Oder ist das zu viel Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Spiegelneuronen auf
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